Tausche Brautschuh gegen Flossen
Rezeption erfährt sie, dass
die Nachbarstadt Los Cristianos diesbezüglich keine Wünsche offen lässt. Man kann
zu Fuß hingehen, da es über die Promenade mit Las Américas verbunden ist, doch Nina
will keine Zeit mit stundenlangem Durch-den-Sand-Gelatsche verschwenden – noch dazu
bei dieser Affenhitze – und lässt ein Taxi kommen. Unterwegs macht sie mich mehrmals
auf die lange Strecke aufmerksam und kann sich nicht vorstellen, dass ich all das
hätte laufen wollen. Meine Überzeugung, dass das Taxi auf dem weiten Weg zum Ziel
gelenkt wird, behalte ich für mich.
Auch in Los Cristianos begrüßen
uns riesige Hotelkomplexe, wenngleich sie, verglichen mit denen in Las Américas,
stilvoller oder pompöser sind. Das Taxi folgt einer breiten Straße, an deren Rändern
ich Wasserspiele sehe. Auf dem Dach eines Hotels thronen goldene Engel mit Trompeten,
in weißen Stein gemeißelte Löwen bewachen den von Säulen gesäumten Eingang eines
anderen. Überhaupt ist hier sehr viel weiß, sogar der Marmor der Luxusmeile, die
mit Gucci, Burberry und Just Cavalli aufwartet.
Nina bittet den Fahrer anzuhalten
und ignoriert meinen verwunderten Blick.
»Willst du Lilly ein Souvenir mitbringen?«,
frage ich sie, sobald wir mit unseren Flip Flops auf dem teuren weißen Marmor stehen.
»Nein. Ich will nur mal gucken«,
zwitschert sie und visiert das nächste Geschäft an, über dem in edlen goldenen Lettern
der Joop!-Schriftzug angebracht ist. »Gucken kostet nix.«
»In solche Geschäfte geht man nicht
gucken!«
Sie zuckt die Schultern. »Warum
nicht? Wenn einer kommt und uns behilflich sein möchte, sagen wir einfach, dass
wir uns nur umschauen.«
»Das mögen die aber nicht.« Zur
Verdeutlichung sehe ich an meinem lässigen Urlaubsoutfit herunter. »Und so, wie
wir angezogen sind, wird uns niemand behilflich sein wollen. Sie werden gleich wissen,
dass wir nur zum Gucken kommen und uns vielleicht sogar auffordern, das woanders
zu tun.«
Nina lässt sich nicht überzeugen.
In einiger Entfernung wartend, beobachte ich, wie sie ihre Nase an die Schaufenster
drückt, sich schließlich für ein Geschäft entscheidet und hineingeht.
Keine zwei Minuten später ist sie
wieder draußen.
»Lass uns verschwinden!«, brummt
sie, schrammt mit langen Schritten an mir vorbei und wirft ihre brünette Mähne über
die Schultern.
Ich muss laufen, um sie einzuholen.
»Was war denn los?«
»Nix!«, grollt sie. »Gar nix! Doofe
Kuh, die!«
Los Cristianos wurde nicht künstlich angelegt, sondern entwickelte
sich aus einem Fischerdorf, das vor 4.000 Jahren gegründet wurde. Las Américas gab
es vor 40 Jahren noch gar nicht. Es entstand durch das Spekulationsgeschäft von
Amerikanern und wurde über Nacht aus dem Boden gestampft.
Der Ortskern von Los Cristianos
erzählt die Geschichte der Stadt. Die Häuser sind alt und klein und aus gelblichem
Stein errichtet. Die Straßen sind eng und zumeist ungeeignet für Fahrzeuge.
Wohin ich mich wende, überall sehe
ich Postkartenmotive. Das ist Spanien, wie ich es mir vorgestellt habe. Schade,
dass es nur ein so winziger Fleck inmitten des Internationalismus ist.
Wir finden ein Geschäft, das mit
einer witzigen Schaufensterdekoration und kultiger Musik auf sich aufmerksam macht.
Ich stehe nur wenige Sekunden im Laden und habe schon das Bedürfnis, mich dumm und
albern zu kaufen. Nina lacht mich aus, als ich mir lauter Schwarz auf den Arm lade.
Sie hält mir ein hellblaues Teil vor, und weil ich gute Laune habe, probiere ich
es an.
Ich kann das Wort ›Party‹ nicht mehr hören.
Es ist der dritte Abend, an dem
es mir mit einem »Och, bitte« um die Ohren geschleudert wird. Abermals werden alle
verfügbaren Argumente gebracht. Heute steht eins mehr zur Verfügung. »Du kannst
dein neues hellblaues Teil anziehen!«
Mit einem Lachen plumpse ich aufs
Bett. Den Kopf auf den Arm gestützt, betrachte ich meine Freundin, die bereits ihr
drittes Outfit anzieht und auch an diesem etwas auszusetzen hat.
»Es geht nicht darum, dass ich nicht
wüsste, was ich tragen soll«, sage ich. »Und käme ich mit, würde ich sicher nicht
das blaue Teil anziehen.«
»Es sieht aber schön an dir aus.
Der Kontrast des Blaus zu deinen schwarzen Haaren ist toll.« Nina stemmt die Hände
in die Hüften und dreht sich vor dem Spiegel. »Mein Hintern ist gigantisch!« Verärgert
schaut sie mich an. »Ist mein Hintern zu dick?«
»Nein«, antworte ich ihr mit einem
Seufzen.
»Lügnerin!«
»Meine Güte, dein
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