Tausche Brautschuh gegen Flossen
irgendwann in Versuchung geführt wird,
ihr widersteht oder erliegt. Ich denke, die meisten erliegen ihr – und küssen.
Was ist mit der Redensart über den
Appetit und das Essen zu Hause? Küssen kann als eine Form des Sich-Appetit-Holens
betrachtet werden. Sicher ist es von Vorteil, wenn man die Person, bei der man Appetit
bekommt, nicht gut kennt, anderenfalls läuft man wohl Gefahr, bald dort zu essen.
Dabei möchte ich mir bei Christoph
nicht einmal Appetit holen, was wiederum nicht heißen soll, dass ihn nicht appetitlich
finde.
Stellen wir uns eine Sahnetorte
oder eine Pizza Funghi vor: Beide sind unheimlich delikat, aber schwer zu verdauen.
Ihr Genuss ist mit Konsequenzen verbunden.
Ich bin ein Mensch, der lieber im
Voraus über Hüftspeck nachdenkt und auf den Verzehr einer Sahnetorte oder Pizza
Funghi verzichtet. Den Fall, dass einem die Torte beziehungsweise Pizza von allein
in den Mund springt, will ich an dieser Stelle nicht bedenken. Es würde zu weit
führen, und ich müsste mir eine neue Metapher überlegen, da eine sich verselbstständigende
Torte beziehungsweise Pizza unwahrscheinlich ist. Männer, die einen küssen, gibt
es hingegen nachweislich.
Christoph ist keiner von ihnen.
Abgesehen von der Begrüßung und Verabschiedung berührt er mich nicht und hält die
Distanz zwischen uns auf einem freundschaftlichen Abstand, ungeachtet der Elektrizität,
die in bestimmten Momenten zwischen uns knistert und uns daran erinnert, dass wir
irgendwann einmal mehr als Freunde sein wollten.
Zum einen gefällt mir seine Zurückhaltung.
Zum anderen macht sie mich wahnsinnig.
Auch jetzt sieht er mich wieder
so an und strahlt, als ich seinen Blick erwidere. Wie zu einer stummen Frage hebt
er eine Braue und ein fröhliches Blitzen liegt in seinen Augen.
»Ich habe jetzt genau das, was ich
wollte«, sagt er. »Eben der Wunsch, der mich vor Monaten um meinen Schlaf gebracht
hat, ist in Erfüllung gegangen.« Er nimmt sein Glas und lässt es gegen meines klingen,
das noch auf dem Tisch steht. »Danke für den schönen Tag!«
»Ich bin es, die zu danken hat.«
Allmählich verstummen die Trommeln
und die Fackeln brennen ab. Der Strand wird leer. Eine Stunde nach Mitternacht sind
wir allein auf der Terrasse.
»Manchmal möchte ich, dass alles
geschieht, was geschehen soll«, sage ich. »Dabei weiß ich nur zu genau, dass nicht
fähig bin, die zwei Welten zu trennen.«
Mir fällt etwas ein, das mich davor
bewahrt, in eine Stimmung abzurutschen, mit der dieser Tag nicht enden sollte. Ich
erzähle Christoph meine Anti-ein-Topf-ein-Deckel-Theorie:
Nicht jedes Töpfchen hat nur ein
Deckelchen. Schaut man in den Küchenschrank eines gut ausgestatteten Haushalts,
so entdeckt man neben alten Einzelstücken aus Emaille viele Töpfe und Deckel einer
Serie. Auf einige dieser Töpfe passen stets zwei bis drei verschiedene Deckel, was
sich umgekehrt natürlich ebenso verhält. Im Lauf der Zeit ist oft nicht mehr nachzuvollziehen,
welcher Deckel ursprünglich zu welchem Topf gehörte.
Meine Metapher ist keinesfalls ein
Plädoyer für willkürlichen Ehebruch, sondern eher ein Widerspruch gegen allgemeine
Überzeugungen. Was für einige den Tod der Romantik und des Idealismus bedeutet,
ist anderen möglicherweise ein Trost. Mit meiner Theorie wird das Warten auf Mr.
Right mit höherer Wahrscheinlichkeit irgendwann belohnt. Begegnet man auch nicht
dem einen und einzigen, dann doch zumindest einem von ihnen. Einem, der passt. Von
da an sollte man hoffen, dass kein zweiter den Weg kreuzt – irgendwo auf diesem
Planeten!
»Mir gefällt der Gedanke, dein Deckelchen
zu sein«, sagt Christoph. »Auch, wenn ich zu spät im Küchenschrank gelandet bin.«
Mein Herz wird schwer.
Niemals geht es um eine Entscheidung
zwischen Lukas und Christoph! Ich kann kein zweites Leben führen, ohne das andere
zu vergessen und zu vermissen. Das ist offenbar die Antwort auf die Frage aus ›Herr
der Gezeiten‹ , warum keinem Mann und keiner Frau zwei Leben zur Verfügung
stehen.
Über den Tisch hinweg ergreift er
meine Hand, streicht mit dem Daumen darüber.
»Mein süßes, schwarzes Engelchen!«,
murmelt er.
»Engel sind immer blond!«
»Nicht für mich.«
Gewissenlos
Nach dem Frühstück treten wir den Rückweg nach San Sebastián an. Ein
gutes Stück darf ich hinter dem Steuer der Corvette sitzen. Ich lasse es mir nicht
allzu sehr anmerken, aber ich finde das ziemlich cool.
Die meiste Zeit fahren wir auf der
Landstraße und
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