Tausche Brautschuh gegen Flossen
einem Ton, der nicht nur entschuldigend,
sondern ein wenig resignierend klingt, greift Nina ihre letzte Aussage auf: »Lena,
ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung, was mit mir los ist. Manchmal wünsche ich mir
wirklich, ich wäre wie du oder Hannah oder Lilly! Ihr alle habt irgendwelche Prinzipien.
Meines scheint allein das Chaos zu sein.«
»Nina …«
»In meinem Leben ist einiges schiefgelaufen,
das weißt du so gut wie ich. Und als ich endlich Glück hatte, habe ich es mit Füßen
getreten.« Sie schüttelt den Kopf, scheinbar über ihre eigene Dummheit. »Wie dämlich
kann man sein? Wie dämlich bin ich, dass ich es jetzt nicht besser mache?«
Ich strecke die Hand nach ihrer
aus und sie nimmt sie, umschlingt meine Finger mit ihren.
»Schon okay, du hast immer noch
uns«, sage ich leise. »Wir bremsen dich, auch wenn du das nicht magst.«
Nina seufzt lautlos. »Gib mir Zeit!«
Nina hat ihre Theoriestunden nach dem ersten Kurs an den Nagel gehängt.
Sie gibt zu, dass ihr Interesse an der Unterwasserwelt nicht so groß ist, um dafür
im Urlaub zu büffeln.
Nach einem Tag, den sie und ich
am Strand verbringen, fahre ich am darauffolgenden Mittag ein zweites Mal mit Christoph
aufs Meer. Diesmal begleiten uns lediglich Lenny und Jasper, die später keine Kurse
mehr haben und einen Dive zu ihrem eigenen Vergnügen unternehmen wollen.
Von Las Américas schippern wir gen
Nordwesten und gelangen zur Punta Blanca, die wenige Kilometer unterhalb des Ortes
Puerto de Santiago liegt. Auf der Fahrt klärt mich Christoph darüber auf, dass der
Tauchplatz aufgrund der Strömung einen höheren Schwierigkeitsgrad hat. Er bittet
mich, ihm unbedingt das Zeichen zum Auftauchen zu geben, falls es mir zu anstrengend
wird oder etwas nicht in Ordnung ist.
Mit dieser Information kribbelt
die Aufregung noch ein wenig heftiger durch meinen Magen, als ich den Schritt über
Bord wage.
Mein Mut wird belohnt, denn die
Tiefe birgt spektakuläre Bilder. Die Steilwand, an der wir entlangsinken, reicht
in beeindruckenden Formationen bis auf knapp 30 Meter. Mehrere Male geraten wir
in schillernde Fischschwärme. In Höhlen und Felsspalten entdecken wir mir bislang
unbekannte Meeresbewohner, aber auch zwei Muränen und auf dem Grund einen Stachelrochen.
Als Christoph nach nicht ganz 45 Minuten zur Oberfläche deutet, habe ich überhaupt
keine Lust, diese faszinierende Welt zu verlassen.
Zurück an Deck verteilt Jasper Erfrischungen
und wir plaudern über unsere Eindrücke. Lenny klopft mir auf die Schulter und sagt
im schönsten britischen Akzent: »Pretty fly for a lady!«
Christoph wirft ihm und mir einen
amüsierten Blick zu. Dann startet er den Motor und bringt uns nach Las Américas.
Christoph gäbe einen hervorragenden Reiseführer ab. Im Spaß rate ich
ihm, einen alternativen Geschäftszweig zu eröffnen, falls ihn der Alltag in der
Tauchschule wider Erwarten einmal anödet. Darauf winkt er ab. Er hat keine Lust
auf Touristengruppen, die ihn mit Lunchpaketen und Fotoapparaten bewaffnet verfolgen.
Da in der Corvette nur zwei Personen
Platz haben, mieten Nina und ich einen Jeep. Christoph bietet mir an, zu fahren,
doch ich bestehe darauf, hinter dem Steuer zu sitzen. Immerhin kenne ich die Strecke,
necke ich ihn. Also rutscht er auf den Beifahrersitz, während sich Nina und Markus
die Rückbank teilen.
An der Talstation des Pico del Teide
angekommen, lassen wir uns per Seilbahn hinauf zu La Rambleta, dem Krater des Vulkans,
gondeln. Der eigentliche Gipfel des Berges liegt noch 150 Meter darüber, doch darf
an diesem Tag nicht einmal mit Sondergenehmigung betreten werden.
Wir alle sind dick angezogen, Nina,
Markus und ich tragen Turnschuhe und mehrere Schichten sommerlicher T-Shirts übereinander.
Mit Schnee haben wir beim Kofferpacken nicht gerechnet und den Rollkragenpullover
zu Hause gelassen. Christoph, der sich natürlich nicht aus dem Koffer, sondern aus
seinem Schrank bedient, ist um einiges professioneller gekleidet.
Die Kälte ist erträglich und der
Ausblick entschädigt für jedes Frösteln. Dunkle Steilwände begrenzen die Einsturzkessel
des Vulkans, der sich auf einem Durchmesser von 17 Kilometern um den Teide erstreckt.
Bei Tag sehen die Lavafelder ganz anders aus, jedoch nicht weniger außerirdisch.
Die Gesteinsformationen werfen düstere Schatten. Die Touristenbusse auf der langen
Geraden könnten Mondfahrzeuge sein. In der Ferne sehe ich den Atlantik und die Nachbarinsel
La Gomera, an die ich so bewegende
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