Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
flehte ich an, mir das Leben zu retten; alsobald führte er mich in sein Frauengemach, und dort blieb ich einen Monat in Überfluß und Frieden.
Mein Wirt erzählte mir eines Tages, daß sich eine Karawane rüste, um nach Bagdad zu ziehen, daß ich also, falls ich willens sein sollte, meine Heimat wiederzusehen, keine bessere Gelegenheit abpassen könnte; Scham schloß mir den Mund; ich wagte ihm mein Unglück nicht einzugestehen; denn ich war gänzlich mittellos und durch die Notwendigkeit gezwungen, der Karawane zu Fuße zu folgen. Doch wie groß war mein Erstaunen, als man mir am Tage der Abreise ein sehr schönes Pferd vorführte und ein mit allen Arten von Vorräten beladenes Maultier, das ein schwarzer Sklave führte, der mir auf der Reise dienen sollte; mein Wirt überreichte mir zur gleichen Zeit eine goldgespickte Börse und brachte mich selbst zur Karawane, wo er mich mehreren Teilnehmern, die mit ihm befreundet waren, anempfahl. Solches ist die Wohltat, die mir in deiner Stadt erwiesen ist, und das macht sie mir so teuer; mein einziger Kummer ist, daß ich meinen gütigen Wohltäter noch nicht gefunden habe. Und ich würde zufrieden sterben, könnt ich ihm meine Dankbarkeit bezeigen!‹ Der Gefangene rief ganz entzückt aus: ›Deine Wünsche sind erfüllt, ich bin der, welcher dich in seinem Palaste aufnahm, erkennst du mich nicht wieder?‹ Die Zeit, die seit dem Ereignisse verstrichen war, und der Kummer, der ihn bedrückte, hatten sein Gesicht verändert, aber beim Betrachten seiner Züge erkannte ich ihn bald wieder, und die Umstände, die er mir wieder ins Gedächtnis rief, ließen keinen Zweifel mehr zu, daß dieser Gefangene, der darauf und daran war, sein Leben zu verlieren, mein lange gesuchter hochherziger Erretter war. Ich umarmte ihn tränenden Auges, nahm ihm die Fesseln ab und fragte ihn, durch welches Mißgeschick er den Zorn des Kalifen heraufbeschworen habe. ›Verachtungswerte Feinde‹, entgegnete er mir, ›haben mich ungerechterweise bei Maamún angeschwärzt, man hat mich Hals über Kopf aus Damaskus fortgeschleppt, ja die Barbarei so weit getrieben, mir den Trost, Weib und Kinder zu umarmen, zu versagen, und ich weiß nicht, welches Schicksal meiner wartet; sollte jedoch, wie ich fürchten muß, mein Tod gewiß sein, so bitte ich dich, ihnen dies Unglück mitzuteilen!‹
›Nein, du stirbst nicht,‹ sagte ich dawider, ›ich versichere dir, du sollst deiner Familie wiedergegeben werden: sei von diesem Augenblicke an frei.‹ Ich wählte mehrere Stücke der schönen Goldbrokatstoffe Bagdads aus und bat ihn, sie seiner Gattin zu schenken. ›Reise ab,‹ fügte ich dann hinzu, indem ich ihm eine Börse einhändigte, die tausend Golddinare enthielt; ›vereinige dich wieder mit den köstlichen Pfändern der Zärtlichkeit, die du in Damaskus zurückgelassen hast; möge der Zorn des Kalifen über mich kommen, ich fürchte ihn wenig, wenn ich glücklich genug bin, dich zu retten!‹
Mein Gefangener nahm das Wort: ›Welch einen Vorschlag machst du da, hältst du mich für fähig, ihn anzunehmen? Wie! Um mir das Leben zu retten, soll ich heute das Leben opfern, das ich ehemals gerettet habe? Versuche den Kalifen von meiner Unschuld zu überzeugen, keinen anderen Beweis fordere ich von deiner Dankbarkeit; wenn du ihm nicht die Augen öffnen kannst, will ich ihm selbst meinen Kopf darbieten, auf daß er nach seinem Willen über meine Tage beschließe, vorausgesetzt, daß die deinen in Sicherheit sind.‹ Ich lag ihm von neuem an, zu fliehen, doch ließ er sich nicht dazu bewegen.
Anderen Morgens versäumte ich nicht, mich vor Maamún zu zeigen. Der Fürst war zum Zeichen seines Zorns mit einem feuerfarbenen Mantel bekleidet; kaum hatte er mich erblickt, als er mich fragte, wo mein Gefangener wäre, und befahl gleichzeitig, daß man den Henker kommen lassen sollte. ›O Gebieter,‹ rief ich aus und warf mich ihm zu Füßen, ›es hat sich eine merkwürdige Sache in Angelegenheit dessen zugetragen, den du mir gestern anvertraut hast; erlaube, o Herr, daß ich sie dir verkünde!‹ Diese Worte brachten ihn in Wallung, und er sprach zu mir: ›Ich schwöre dir bei der Seele meines Ahnherrn, statt deines Gefangenen stirbst du, wenn du ihn mir hast entwischen lassen!‹ ›Mein Leben und seines‹, entgegnete ich, ›liegen in deiner Hand, o Gebieter, geruhe einzig, mich anzuhören!‹ ›Sprich!‹ erwiderte er. Ich erzählte dem Fürsten dann, auf welche Weise der Mann in Damaskus mein
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