Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Leben gerettet hatte; daß ich mit dem Wunsche, mich gegen ihn dankbar zu bezeigen, ihm die Freiheit angeboten, er sie aber aus Besorgnis, meinen Tod dadurch zu verursachen, zurückgewiesen hätte. ›O Gebieter,‹ fuhr ich fort, ›er ist nicht schuldig; ein so edelmütiger Mensch kann es nicht sein; elende Verleumder haben ihn vor dir angeschwärzt; er ist das unglückliche Opfer des Hasses und des Neides gegen ihn Erbitterter.‹
Der Kalif schien gerührt; hatte er doch von Geburt an eine große Seele; und er konnte nicht umhin, das Benehmen meines Freundes zu bewundern. ›Deinetwegen verzeihe ich ihm‹, sprach Maamún; ›geh und melde ihm diese frohe Botschaft und bringe ihn zu mir!‹ Ich warf mich dem Fürsten zu Füßen, indem ich sie küßte, und dankte ihm in den lebhaftesten Ausdrücken, die mir die Dankbarkeit eingeben konnte; dann führte ich meinen Gefangenen vor den Kalifen.
Der Herrscher schenkte ihm ein Ehrengewand und ließ ihm zehn Pferde, zehn Maultiere und zehn Kamele aus seinem Marstalle geben; allen diesen Begünstigungen fügte er eine Börse zu, die zehntausend Dinare für die Unkosten seiner Reise enthielt; und er händigte ihm selbst einen Empfehlungsbrief an den Statthalter von Damaskus ein.«
Verschiedene Erzählungen von dem Großmute des Araberfürsten Hatem-Tai
Hatem-Tai wurde für so freigebig gehalten, daß die mächtigsten Fürsten auf seinen großen Ruf eifersüchtig waren. Der Sultan von Damaskus wollte es selbst erfahren, ob es auf Wahrheit beruhe, was man über den Ruhm des Arabers sprach. Und er ließ einen seiner ersten Würdenträger, mit Geschenken für Hatem versehen, aufbrechen, indem er ihm auftrug, ihn um zwanzig Kamele zu bitten, die rote Haare und schwarze Augen hätten; diese Art von Kamelen nämlich war sehr selten und deshalb auch kostspielig.
Auf diesen Wunsch hin ließ Hatem in der Wüste alle Kamele mit schwarzen Augen und roten Haaren suchen, indem er jedem Menschen das Doppelte ihres Wertes versprach. Die Araber aber, die in Hatem das höchste Vertrauen setzten, sammelten hundert Kamele der bestimmten Art. Hatem schickte sie an den König und überhäufte den Würdenträger mit Geschenken.
Der Beherrscher von Damaskus war erstaunt ob dieses Reichtums und versuchte, ihn zu überbieten; er ließ dieselben Kamele mit köstlichen Stoffen beladen und sandte sie an Hatem zurück. Der ließ alsogleich alle die kommen, welche die so seltenen Tiere herbeigebracht hatten, und überließ sie ihnen alle mit der Last, die sie trugen; als der Fürst von Damaskus solches hörte, erklärte er sich für besiegt.
Hatems Ruf drang bald über die Grenzen Asiens und gelangte bis nach Europa; der Kaiser von Konstantinopel wurde zornig, daß man einen einfachen Araberführer seiner Freigebigkeit zufolge den mächtigsten Herrschern gleichzustellen wagte, und wollte, wie der Sultan von Damaskus, eine Probe auf das Exempel machen.
Unter der großen Zahl Pferde, die Hatem unterhielt, gab es ein ganz außergewöhnliches, das er höher schätzte denn all seine Reichtümer. Niemals hatte die Natur ein so vollkommenes Tier hervorgebracht; Feuer schien aus seinen Nüstern zu sprühen, und es überholte laufend die flinkesten Hirsche. Dieses Pferd endlich war nicht weniger berühmt im ganzen Morgenlande durch seine Schönheit, als sein Herr durch seine Freigebigkeit.
Der Kaiser wußte, wie wert dieses Roß Hatem war, und beschloß, ihn um es zu bitten, indem er glaubte, seinen Edelmut dadurch auf die härteste Probe zu stellen. Er schickte seiner Edlen einen an den Araberführer. Der Abgesandte des Herrschers kam in düsterer Nacht mitten bei Ungewittern bei Hatem zu einer Zeit an, wo alle Araberpferde in den Steppen weideten. Der Würdenträger wurde bei dem herrlichsten aller Menschen so aufgenommen, wie es sich für den Abgesandten eines Königs ziemt; nach dem Essen führte Hatem seinen Gast in ein sehr reiches Zelt.
Am folgenden Morgen schickte der Abgesandte die Geschenke seines Gebieters mit einem Schreiben des Fürsten an Hatem. Als Hatem dieses gelesen hatte, war er sehr betrübt: »Wenn du mich gestern ob des Zwecks deiner Sendung aufgeklärt hättest,« sprach er zu dem Würdenträger, »würde ich heute nicht in der grausamsten Verlegenheit sein und dem Kaiser wahrlich den schwachen Beweis meines Gehorsams gegeben haben; jedoch lebt das Roß, das er wünscht, nicht mehr; alle Tiere weiden jetzt in den Steppen, es ist Brauch bei uns, dann nur ein einziges Pferd im Lager
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