Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
erweisen; gehen wir in meine Höhle, dort sollst du dich mit mir ausruhen!‹ Das Vorgehen des Affen hatte Achmed ein wenig mit den Tieren ausgesöhnt; welchen Schrecken ihm auch die Gemeinschaft mit einem Löwen einflößen konnte, so hoffte er, daß der König der Tiere nicht weniger hochherzig sein würde als der Affe; und sei es, um den König der Tiere zu unterhalten, sei es, um ihm eine gute Lehre zu geben, er erzählte ihm ganz offenherzig von der edlen Gesinnung, die der Affe gegen ihn bezeigt hatte. Der Löwe aber fand diese Handlungsweise sehr schön und dachte im stillen nach, daß es ihm nicht anstünde, weniger edelmütig zu sein als einer seiner geringsten Untertanen; und nachdem er seinem Gaste das Wort abgenommen hatte, nicht vor seiner Rückkehr seine Lagerstätte zu verlassen, begab er sich auf die Fährte.
Der Palast, in den der Sultan von Aleppo seinen Sohn Behadirschah verbannt hatte, lag nicht weit von dem Walde entfernt; der unglückliche Prinz hatte nur eine geringe Zahl Diener und lustwandelte oft allein in seinem Parke, der nur von einer niedrigen Mauer umgeben war. Seine Neigung für Geschmeide hatte sich nicht vermindert, er trug stets einen mit einer kostbaren Agraffe geschmückten Turban; dies war das einzige, was ihm von seiner früheren Pracht geblieben war. Kaum hatte der Löwe diese Kostbarkeit erblickt, als er durch den Überfall des Herrschersohnes zwei Fliegen mit einer Klappe zu fangen glaubte: ein gutes Frühstück für sich und ein beträchtliches Geschenk für seinen Gast, der ihn in seiner Höhle erwartete. Der Fürst der Tiere stürzte sich auf den Fürsten der Menschen, der Sieg war nicht lange zweifelhaft; die Vorsehung, die den ungerechten Tod des Juden durch die Löwenklauen rächte, bestimmte für den armen Reisenden die schöne Agraffe des Königssohnes, die der Löwe seinem Freunde voller Freude brachte.
Achmed, der sich mit Wohltaten von einem, vor dem er so große Furcht hatte, überhäuft sah, lenkte seine Schritte nach der Stadt, wo er seinen Freund Sadi zu finden hoffte, von dem er zum wenigsten gute Ratschläge erwartete. Denn, in der Tat: wenn Tiere Dienste so köstlich bezahlten, was mußten da erst Menschen tun!
Er betrat die Stadt bei Tagesanbruch; die Nachricht vom Tode des Prinzen war dort schon eingetroffen, man hatte im Parke seines Verbannungsortes Blut und Überbleibsel eines zerrissenen Mannes gefunden. War nun der unglückliche Behadirschah wilden Tieren oder Räubern zum Opfer gefallen, die einen Teil seines Körpers fortgeschleppt hatten, um ihr Verbrechen zu vertuschen ? Dies beschäftigte die ganze Stadt und bildete den Stoff zu allen Unterhaltungen, und hierzu nahm jedermann Stellung, ohne jedoch den wahren Sachverhalt zu ahnen, noch das geringste zu wissen.
Sowie Achmed in das Haus seines Freundes eingetreten und die erste Freude des Wiedersehens vorüber war, erzählte ihm der Reisende seine erstaunlichen Abenteuer: ein Affe hatte ihm seine von Räubern gestohlenen Güter wiederverschafft; ein Löwe, noch erhabener denn alle Fürsten, hatte ihm eine Agraffe geschenkt, die würdig war, den Turban des Beherrschers aller Gläubigen zu zieren. Der unglückliche Reisende ahnte das Elend nicht, das ihm die unheilvolle Agraffe einbringen mußte, wußte er doch nicht, daß sie dem Sultanssohne gehört hatte und Ursache des traurigen Endes des Prinzen gewesen war; da dieses unschätzbare Geschenk nicht leicht zu verkaufen war, fragte Achmed seinen Freund um Rat, was er mit so großen Reichtümern anfangen sollte, und beschwor ihn, ihm beim Verkaufe seiner Edelsteine zu helfen, deren Preis er mit ihm teilen wollte.
Sadi erkannte leicht die Diamanten wieder, die er selbst gefaßt hatte. ›Das ist die Agraffe des Prinzen, dessen Tod man beweint‹, sprach er zu sich selbst; ›welchen Lohn hat der Angeber zu erwarten, der dem Fürsten Kunde davon gibt und den Mörder oder zum mindesten den Mitschuldigen am Tode des Prinzen seiner Rache überliefert?‹ Nachdem er seinen Befreier zärtlich umarmt und rücksichtsvoll den ersten Pflichten der Gastfreundschaft Genüge getan hatte, führte der treulose Edelsteinhändler, als sich der Wanderer im Schoße des Vertrauens der Ruhe hingab, den Plan aus, den er gefaßt hatte. Er war nicht entsetzt ob des gräßlichen Verbrechens, das er zu begehen beabsichtigte; er achtete es für nichts, den zu opfern, der ihm das Leben gerettet hatte, wenn er für sich nur die frühere Gunst wiedererlangen könnte; er eilte
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