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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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nach dem Serail des Sultans, um ihm den anzugeben, den er für den Mörder seines Sohnes hielt. ›Hier ist der Nachlaß deines so hart bestraften und nun so beweinten Sohnes‹, hub er an. ›Diese Agraffe gehörte dem Prinzen, ich habe sie selbst gefaßt; der sie mir aber anvertraut hat und in meiner Gewalt ist, ist zweifelsohne der Mörder des Prinzen oder der Mitwisser derer, die ihn getötet haben!‹
    Der Sultan ließ sich alsbald den angeblich Schuldigen vorführen; der unglückliche Reisende, der nicht um das Verbrechen wußte, dessen man ihn zieh, erschien vor dem Fürsten; Schrecken und Verwirrung war auf sein Gesicht geschrieben. Er erblickte seinen ungetreuen Freund und vermutete, daß er sein Übel verursacht habe: zu spät erkannte er nun den weisen Rat des Affen, des Löwen und der Schlange und rief aus: ›Ich verdiene das Schicksal, das über mich verhängt worden ist!‹
    Der Sultan kannte den wahren Sinn dieser Worte nicht und nahm sie für das Geständnis des Schuldigen, dem die Wahrheit wider seine Absicht entschlüpfte; und er verurteilte ihn, daß er auf einem Esel durch die ganze Stadt geführt und dann in einem entsetzlichen Gefängnis festgesetzt werden sollte. Seine Hinrichtung jedoch wurde bis nach dem Leichenbegängnisse Behadirschahs verschoben.
    Nachdem der unglückliche Reisende allem Volke dieses Schauspiel geboten hatte, wurde er in ein dunkles Gefängnis geworfen, wo er Zeit hatte, über sein Unglück und was es nach sich gezogen hatte, nachzugrübeln. Die Schlange, die eifrig über das Los ihres Befreiers gewacht hatte und Zeuge seines Schimpfes gewesen war, die auch den Verräter, der ihn verursacht hatte, kannte und ebenso eifrig darauf bedacht war, ihn zu strafen, wie Achmed zu retten, gelangte leicht in sein Gefängnis. Und sie sprach zu ihm: ›Habe ich dir nicht vorausgesagt, daß der Mensch das undankbarste aller Lebewesen ist und Gutes mit Bösem vergilt; ich war fest überzeugt, daß der Undankbare, den du wider meinen Rat erlöstest, eines Tages die Ursache deines Elends sein würde, und habe seither die Reihe von Übeln vorhergesehen, die du jetzt erleidest, weil du nicht auf Ratschläge gehört hast, die Weisheit und Freundschaft eingaben!‹
    ›O grausame Freundin,‹ rief der unglückliche Achmed aus, der die Schlange an der Stimme erkannte, ›ist mein Unglück nicht groß genug, als daß du es noch durch solch bittere Vorwürfe vermehren mußt? Denke vielmehr daran, meine Unschuld zu beweisen und mich, wenn es möglich ist, aus der grauenvollen Lage zu befreien!‹
    ›Ich habe dir versprochen,‹ entgegnete ihm die Schlange, ›deine Unklugheit wieder gutzumachen und halte mein Versprechen treulich; du hast mir das nicht glauben wollen; doch ist es an der Zeit, daß du mir ganz vertraust; ich werde vielleicht geschickter als der Verbrecher sein, der dein Verderben wollte; nimm dieses Kraut, es allein besitzt die Kraft, die Wirkung des Giftes, das ich eben den Adern der Lieblingssultanin eingeimpft habe, zunichte zu machen. Der Sultan wird gerade von dem heftigsten Kummer gepeinigt, du allein vermagst ihn zu besänftigen, man wird bald deine angeblichen Verbrechen vergessen; bei euch Menschen ist der, der sich nützlich zu machen weiß, immer schuldlos; rühme dich eifrig deiner Fähigkeiten, das ist das Mittel, um Glück zu haben; lege dein Kraut auf, und du wirst bald Wunder erleben!‹
    Es war an der Zeit, folgsam zu sein, und Achmed bediente sich gern des Plans und Heilmittels; sobald man im Serail erfahren hatte, daß ein Gefangener um Kräuter wüßte, die das Schlangengift abtöteten, wurde der in das Gemach der Sultanin geleitet. Der erste auf die Wunde gelegte Verband heilte sie beinahe im Augenblick. ›O Gebieter,‹ sprach Achmed da zum Sultan, ›die Fürstin fühlt die grausamen Schmerzen, die sie erduldet hat, nicht mehr, und ihr Leben ist bereits in Sicherheit, ich aber bin nahe daran, das meine durch schimpfliche Strafen zu verlieren, die ich nicht verdient habe: du bist zu gerecht, um einen Unschuldigen bluten zu lassen. Wahrlich, ich bin nicht der Mörder deines Sohnes; der abscheuliche Sadi hat seine Jugend vergiftet, er ist es, der dem jungen Prinzen durch ruchlose Ratschläge, die er ihm gegeben hat, deine Ungnade bewirkte. Du wirst das Herz dieses Verbrechers kennenlernen, wenn ich dir bewiesen habe, daß er der undankbarste aller Sterblichen ist.‹ Darauf erzählte er dem Sultan die Begebenheit mit der Grube und alles, was darauf

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