Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
lag, vergnügte, eine Laute zur Begleitung ihrer Stimme ergriff und die Anmut ihres Geliebten und, das Glück, dem sie entgegensah, zu besingen begann.
Hadschadsch, der Anführer der Heere des Kalifen, ging unter den Gartenmauern vorüber und vernahm eine Stimme, die ihn zum Verweilen veranlaßte; als er so die Töne bewunderte, bildete er sich ein, daß die Sängerin nur sehr bezaubernd sein könnte. Der Heerführer wünschte, seinem Kalifen ein Geschenk zu machen, und meinte, wenn die Schöne dem Bilde gliche, das er sich von ihr ausmalte, so würde er dem Kalifen nichts geben können, was ihm angenehmer wäre. Hadschadsch erkundigte sich nach dem Besitzer des Gartens und vor allem danach, wer die junge Schöne sei, der er mit soviel Vergnügen gelauscht hatte.
Man sagte ihm, er irre sich nicht, wenn er sie für schön hielte; daß Zeineb tatsächlich ein Wunder der Natur und Gegenstand der zärtlichsten Sorgen eines reichen Geliebten wäre, der sie zu seiner Frau machen wollte, und daß der Vater dieses Liebhabers, um sie zu kaufen und ihr eine seines Sohnes würdige Bildung zu geben, eine beträchtliche Summe Goldes aufgewandt hätte.
Die Widerstände, die der Feldhauptmann voraussah, machten ihm Sorge, ohne ihn darum abzuschrecken; da er mit einem Kaufe Zeinebs nicht rechnen durfte, beschloß er ihre Entführung; aber das Haus des Handelsherrn bevölkerte eine große Schar Sklaven beiderlei Geschlechts; überdies fürchtete er sich, Gewalt anzuwenden, worüber man sicherlich Klage führen würde, und die der Sultan, dem er einen Gefallen erweisen wollte, bestrafen möchte. Eine List mußte ihn in den Besitz derjenigen bringen, die er nicht zu entführen wagte. Es gab in Kufa, wie auch anderswo, jene verruchten Werkzeuge des Lasters, die, nachdem sie ihre Ehre mit ihrer Jugend vergeudet haben, mit der der Schönen ihres Geschlechtes Handel treiben. Eines dieser verächtlichen Weiber, die listiger war denn alle ihresgleichen, wurde oft von Wüstlingen gebraucht, von denen sie sich ihre Dienste teuer bezahlen ließ. An diese alte Ränkemacherin wandte sich Hadschadsch. Der Beruf einer Betschwester, dessen sie sich öffentlich bediente, um ihren geheimen andern Stand zu verbergen, dem sie eifriger nachging, öffnete ihr Nuumans Harem; mit verschleiertem Gesichte, eine der größten Gebetsschnüren, die jemals die Heuchelei hergestellt hat, in der einen Hand haltend, mit der andern sich auf einen Stock stützend, als ob sie von der Bürde der Jahre niedergedrückt würde, erschien sie vor Zeineb.
Die ebenso fromme wie zärtliche junge Sklavin hegte von Kindheit an eine große Verehrung für alle, die sich tugendhaft bezeigten; getäuscht von dem scheinheiligen Aussehen der Alten, empfing sie sie mit aller möglichen Ehrfurcht. Ihre freundliche und demütige Miene, die Augen, die bald zum Himmel blickten, bald die Erde küßten, ihre zahlreichen Seufzer, alles beredete Zeineb, daß sie in der glücklichen Lage wäre, in ihrem Hause eine Günstlingin des Propheten zu beherbergen.
Die Gewandtheit der schändlichen Alten bezwang bald Nuumans Geliebte, die sich keines Argwohns dabei bewußt wurde. Als die Scheinheilige der Macht gewahr wurde, die sie erlangt hatte, sprach sie davon, daß sie ihre neubekehrte Freundin verlassen wollte. »Wie grausam bist du, o meine gute Mutter,« sprach Zeineb zu ihr, »uns verlassen zu wollen; welch ein wichtiger Grund zwingt dich, daß wir so bald der Süße deiner Unterhaltung entbehren sollen?« »Wenn ich mich nur mit meiner Freundschaft zu dir beriete,« sprach die Alte dawider, »würde ich dir ohne Säumen meine ganze Zeit opfern, aber für ein in sich gefestigtes Wesen gibt es Pflichten, die es über alle menschlichen Erwägungen hinwegsetzen. Es gibt in der Nachbarschaft hier mehrere Frauen, welche die Frömmigkeit unter ein Dach vereinigt hat; sie üben in der Zurückgezogenheit alle muselmännischen Tugenden aus und feiern nicht allein die vorgeschriebenen Tage, sondern oft noch viele andere, um sich zu kasteien; kurz, alle ihre Zeit ist dem Gebete gewidmet, dem Lesen im Koran und andern guten Werken, die das Gesetz vorschreibt. Ihr beispielhaftes Leben stützt meine Sitten und ihre Reinheit. Die guten Frauen wünschen, obwohl sie viel weiter als ich auf dem Wege zum geistlichen Leben sind, einige Hilfe durch meine schwachen Kenntnisse zu haben. Heute morgen haben sie mich bitten lassen, zu ihnen zu kommen, um sich mit mir über einen Satz des Gesetzes zu beraten, der
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