Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
Vom Netzwerk:
ihnen Schwierigkeiten macht: darf ich mich ihrem frommen Eifer entziehen, und muß ich nicht zu Freundinnen zurückkehren, welche mir so wert sind?«
    Der Wunsch, solche Heilige kennenzulernen, nahm bald der törichten Zeineb Herz gefangen; und sie bat ihre Betschwester, doch eine Bekanntschaft, die ehrenvoll und nützlich sein könnte, zu vermitteln. Die durchtriebene Alte jedoch war dagegen, um das Verlangen ihrer Neubekehrten mehr und mehr zu entzünden; endlich gab sie scheinbar ihrem Drängen nach und willigte ein, sie zu diesen zurückgezogen lebenden Heiligen zu führen. In dem Hause, das nicht weit von Dschabers Wohnung ablag, angekommen, verließ die Alte ihre junge Freundin, um angeblich die heiligen Frauen zu benachrichtigen; es dauerte nur kurze Zeit, daß Zeineb allein im Hausflur war: vier vermummte Menschen faßten sie, und nachdem sie ihr ein Taschentuch in den Mund gesteckt hatten, um ihre Schreie zu ersticken, schleppten sie sie in eine Sänfte, die den Weg nach Damaskus nahm.
    Man kann sich den Zustand der Ärmsten wohl vorstellen; sie beklagte sich beim Himmel ob der Schlechtigkeit der Mensehen und weinte bitterlich um ihren Geliebten, ihren Schwiegervater und das glückliche Los, dem man sie entrissen hatte. Das Grauen vor der Zukunft mischte noch Furcht in ihre Klagen, und die Sorgen, die man um sie trug, bewirkten nur, ihr das Leben noch bitterer und unerträglicher zu machen.
    Nach dreißig Tagen mühsamer Reise kam sie in Damaskus an; man brachte dem Kalifen die junge Betrübte im Auftrag ihres Entführers dar; trotz des Schmerzes, dessen Spuren die Schöne trug, erschienen ihre Reize nur um so rührender; zu allem Kummer, der sie bereits quälte, kam noch der hinzu, daß sie wider ihren Willen gefiel.
    Der Kalif war ob ihrer Schönheit entzückt und hoffte, daß er ihr die Wolken verscheuchen könnte. Fast alle Schönen, die er erobert hatte, waren anfangs traurig vor seinen Augen gewesen, und der Kummer, den er immer dem Schrecken der Sklaverei zuschrieb und dem Bedauern, zärtliche Eltern verlassen zu haben, machte ihm die Schöne noch anziehender, weil er sicher war, seiner Herr werden zu können.
    Das Gepränge des Harems, die Unterwürfigkeit einer Sklavenmenge, die sich stets um die augenblickliche Favoritin des Fürsten schart, selbst die Bemühungen des Sultans konnten einen Schmerz nicht zerstreuen, der mit der Zeit zu wachsen schien; und der Kalif, der, so dünkelhaft wie er war, zu fürchten begann, es mit einer Spröden zu tun zu haben, gestand der Prinzessin, seiner Schwester, seine Liebe und die Hindernisse, die ihr im Wege standen.
    Abaza – so hieß des Kalifen Schwester – wollte die stolze Schöne kennenlernen, die ihrem Herrn widerstand. Bei der ersten Begegnung konnte sie sich einer gefühlvollen Aufmerksamkeit für die junge Betrübte, deren Gestalt soviel Milde und Treuherzigkeit versprach, nicht entschlagen.
    Die Prinzessin war teilnahmsvoll und fühlte bald, daß Zeinebs Herz nicht frei war, und wußte ihr Dank, daß sie treu war und einen niedrigen Geliebten einem großen Fürsten, der ihr Herr geworden war, vorzog. Beide Schönen wurden bald befreundet, jedoch nicht so innig, daß Zeineb sich ihr Geheimnis entlocken ließ. Abaza, welche die Wahrheit ahnte, riet ihrem Bruder, jedes Gewaltmittel aus dem Spiele zu lassen, indem sie ihm sagte, daß die Zeit das einzige Heilmittel für das Übel sei, das Zeineb plagte.
    Wie unglücklich auch die Schöne war, ihr Geliebter, der von ihr getrennt und das Schicksal derer nicht wußte, die er mehr als sein Leben liebte, war nicht minder beklagenswert. Am unheilvollen Tage ihrer Trennung hatte er, der erstaunt war über Zeinebs Abwesenheit, sie mit der lebhaftesten Ungeduld erwartet; und als es ihm offenbar wurde, daß er nicht hoffen dürfte, sie je wiederzusehen, wünschte er, aus dem Leben zu scheiden. Diese heftige Verzweiflung schlug nach einer Reihe von Tagen in beständige Schwermut um: der Schmerz um Zeineb war auf seinem Gesichte zu lesen und grub sich dort jeden Tag tiefer ein. Sein ebenso niedergebeugter Vater lebte in der ständigen Furcht, ihn zu verlieren. Vergebens erwartete er Linderung durch das Verstreichen der Zeit. Er sah mit Schrecken voraus, daß Schmerz und Erschöpfung ihm den einzigen Sohn entreißen würden, als sich das Gerücht in der Stadt verbreitete, daß ein berühmter Arzt angekommen wäre. Dieser Mann kannte Astronomie und Geomantie und alle Geheimnisse der Zauberei. Wir werden jedoch sehen,

Weitere Kostenlose Bücher