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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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daß er noch besser die Menschen kannte, die er zugunsten ihrer und seiner Angelegenheiten zu täuschen wußte.
    Der geschickte Arzt entdeckte bald die Wahrheit und erkannte, daß die Schwermut seines Kranken nur eine äußere Ursache haben konnte, und da er ebenso gewandt wie wissend war, entlockte er ihm bald das Geheimnis seines Herzens: es war nicht leicht, das Los einer wie von der Erdoberfläche verschwundenen Schönen, die zu verbergen sehr im Nutzen ihrer Räuber liegen mußte, zu erfahren. Seine Gewandtheit und ein glücklicher Zufall hatten den Arzt von allem unterrichtet, was vor sich gegangen war; er zögerte natürlich nicht, seine Entdeckung der Kraft seines geheimen Wissens zuzuschreiben. Es gab damals in Kufa eine Jüdin, die durch einen Edelsteinhandel in ganz Asien umherkam; sie war in Damaskus und mehrere Male im Palaste Abazas gewesen und war von ihr und selbst vom Sultan beauftragt worden, der jungen Zeineb mehrere kostbare Geschmeide anzubieten, die aber unsere junge Schöne immer gleichgültig angenommen hatte.
    Die Schmerzensspuren, die der Schönen im Gesicht geschrieben standen, waren den scharfen Augen der Jüdin nicht entgangen; ihr Besuch im Harem hatte sie mit der Liebe des Kalifen und dem Hochmute der schönen Sklavin vertraut gemacht, und sie ahnte, ebenso wie die Prinzessin, die Ursache dieses Hochmutes. Zeineb hatte ihren Namen nicht gewechselt. Die Jüdin, die mit dem arabischen Arzte in Verbindung stand, hatte ihm von Zeineb erzählt, von der Neigung des Kalifen, ihrer Gleichgültigkeit und der geheimen Flamme, die vermutlich in ihr zu brennen schiene. Man braucht sich nicht zu verwundern, daß unser angeblicher Weiser und eine Maklerin in Verbindung standen; beide Berufe haben mehr Beziehungen zueinander, als man denkt. Der Chiromant und unsre alte Jüdin lebten beide von der Kunst, die Menschen zu täuschen, und arbeiteten einander oft in die Hände, um erfolgreich in ihr zu sein.
    Der Weise wußte sehr wohl, daß sein junger Kranker aus Liebe zu einer Sklavin mit Namen Zeineb sterben wollte, und daß diese Zeineb in Damaskus war, und kramte die ganze Kunst der Geomantie aus. Er zeichnete eine Weltkugel auf, brachte viele Punkte auf ihr an, und nachdem er Sonne und Mond angerufen und wilde Laute hervorgebracht hatte, verkündete er gewichtig, daß Nuuman nur geheilt werden könnte, wenn er eine Reise nach Damaskus machte, da in dieser Stadt seinen Leiden ein Ziel gesetzt würde. Der dienstwillige Arzt bot sich an, ihn dorthin zu bringen, indem er versicherte, daß er seiner Ratschläge und Hilfe bedürfen würde. Der Vater, der kein Unglück kannte, das dem, seinen Sohn zu verlieren, ähnlich war, stimmte allem bei, um sein Leben zu retten. Er ließ den jungen Kranken mit seinem Äskulap abreisen und gab ihnen so viel Gold mit, als ihn Reichtum und Vaterliebe verschwenden ließen.
    In Damaskus angekommen, erlangte der Arzt, der weniger unwissend und dreister war als seine Genossen, in kurzem mehr Ansehen als sie alle. Er mietete sich einen Laden und stattete ihn mit sehr viel Arzneimitteln aus, die für ihn sehr nützlich waren und denen, die sich ihrer bedienten, nichts schaden konnten. Nuuman, der als sein Schüler durchging, verteilte die Heilmittel; und die hinreißende Schönheit des Schülers sorgte dafür, dem Arzneiladen Kundschaft zuzuführen.
    Der Ruf des Arztes drang bald bis ins Serail. Der Kalif hatte alle Ärzte der Stadt aufgeboten, um die Schwermut der schönen Sklavin zu verscheuchen und eine schnellere Heilung der Übel herbeizuführen, die nicht in ihr Fach schlugen. Der verliebte Fürst wollte auch noch diesen Mann, den man für sehr geschickt ausgab, zu Rate ziehen und schickte die Oberaufseherin des Serails, mit Namen Razie, zu ihm, die dem Arzte im Auftrag des Sultans des langen Einzelheiten über den Zustand seiner Favoritin angab. Der Araber hatte in der Tat das einzige Mittel, das Zeineb heilen konnte. Er ließ nun den jungen Nuuman eine Flasche holen und ihn eigenhändig auf ein an die Flasche geheftetes Papier schreiben, auf welche Weise man die Flüssigkeit, die sie enthielt, anwenden mußte.
    Man kann sich denken, daß Nuumans Handschrift der süßen Zeineb bekannt war, und kann sich auch leicht die Verwirrung vorstellen, die sich angesichts dieser bei ihr einstellte; sie vermehrte sich noch, als sie in Erfahrung brachte, daß diese Handschrift einem jungen Manne aus Kufa angehöre, der herrlich schön sei, aber einen Kummer zu tragen scheine. Auf

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