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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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vereinigten. Zeinebs rührende Stimme wurde auch außerhalb des Gemachs der Prinzessin vernommen. Der Sultan, der unter ihrem Fenster vorüberging, wurde durch die Töne festgehalten, die immer den Weg zu seinem Herzen gefunden hatten; er trat ein und führte ein heiteres Wortgefecht mit seiner Schwester, weil sie sich in ihrem Gemache Genüssen hingäbe, an denen sie ihn nicht teilnehmen ließe.
    Die wohltätige Abaza nahm die Gelegenheit wahr, zwei Menschen glücklich zu machen und den Fürsten von einer Leidenschaft zu heilen, die für ihn nur unheilvoll enden konnte. Sie empfing den Kalifen mit aller Ehrfurcht, die sie ihm als ihrem Gebieter schuldete, und aller Zärtlichkeit, die sie für ihren Bruder empfand; sie reichte ihm selbst die köstlichen Getränke dar und ließ vor ihm durch ihre Frauen gefällige und prächtige Tänze aufführen, um seine Augen zu erfreuen und seine Laune aufzuheitern. Dann bat sie ihn um die Erlaubnis, die Vergnügungen wechseln zu dürfen, und ließ nun durch ihre Frauen, die sich dessen auf das anmutigste zu entledigen wußten, mehrere Geschichten erzählen. Als der Fürst an den erfindungsreichen Geschichten Vergnügen fand, hub Abaza ihrerseits mit Erzählen an:
    »O Herr,« sprach sie zu ihm, »ich will deiner Erhabenheit eine Geschichte erzählen, deren unglücklicher Ausgang in gleicher Weise Liebe und Menschlichkeit empört. Ein reicher Kaufmann in Agra hatte einen Sohn, den er glücklich machen wollte, und wählte ihm eine Gattin aus, die er seiner würdig achtete, und die gegenseitige Zuneigung der beiden Liebenden rechtfertigte bald die Wahl des Vaters; alle drei würden sich eines beständigen Glücks erfreut haben, wenn nicht ein erbärmlicher Wesir, der nur darauf bedacht war, die Wünsche seines Gebieters zu stillen, um ihn mit Weichlichkeit einzuschläfern, die junge Gattin ihrem Schwiegervater und ihrem Geliebten entrissen hätte, um sie dem Sultan als Sklavin zu schenken. Der Fürst verliebte sich als Besitzer solch seltenen Schatzes alsbald in sie, doch hatte er niemals das Glück zu gefallen, seine Sklavin verging vor Schmerz in seinen Armen und dachte unaufhörlich des Gatten, dem man sie entrissen hatte, und erwiderte die Zärtlichkeiten ihres Herrn nur mit dem kältesten Hochmute. Endlich fand der Gatte, der sie anbetete, das Mittel, in das Gefängnis seiner Herrin einzudringen – denn nichts ist der Liebe unmöglich; er hatte das Glück, die zu sehen und zu hören, der er sein Leben geweiht hatte, als sie beide der eifersüchtige Sultan überraschte. Sein Stolz und seine verschmähte Liebe entzündeten den lebhaftesten Zorn in ihm, er wollte ihre Rechtfertigung nicht anhören; und in beiden Gatten nur eine treulose Sklavin und einen Kecken sehend, der in seinen Harem eingedrungen war, zog er einen Dolch und opferte beide seiner Rache. Ich muß gestehen, daß mich das Unglück dieser beiden unschuldigen Opfer immer hat zittern lassen, und glaube nicht, daß Sultansmacht stärker ist als die der Liebe und Ehe!«
    »Ich denke wie du,« sagte der Fürst ganz gerührt, »wir haben billig keine Macht über zwei Herzen, die sich lieben und durch die heiligen Bande verknüpft sind. Ein Weib gehört seinem Manne vor allen andern an, und wie groß auch die Leidenschaft eines Sultans ist, sie muß der gegenseitigen Liebe weichen!«
    Da rief die Prinzessin aus: »O Beherrscher der Gläubigen, du hast einen Urteilsspruch verkündet, der deiner Weisheit und Güte würdig ist. Hier stehen Gatte und Gattin, von denen ich dir eben erzählte; du bist ein wohltätiger Fürst, der alles Unrecht wieder gutmacht, das man ihnen angetan hat. Diese Sklavin, der du nicht gefallen konntest, ist die rechtmäßige Frau dessen, den du da unter Gewändern siehst, die seinem Geschlecht nicht zukommen. Liebe und Kummer haben ihn die Gesetze des Harems übertreten lassen, du wirst ihm verzeihen, daß er treu und gefühlvoll gewesen ist und dich für edelmütiger denn alle Fürsten Indiens gehalten hat!«
    Nuuman und Zeineb fielen zitternd und bestürzt dem Sultan zu Füßen, der durch das vorausgegangene Lob seiner Schwester erwärmt, nur daran dachte, es durch die Belohnung der Tugend, der Treue und des Mutes derer zu verdienen, welche die Gesetze unweigerlich mit dem Tode bestrafen würde. Er schickte sie mit reichen Gaben heim, ihnen keinen andern Spruch sprechend als den, sich immer zu lieben; einen Spruch, dem sie ihr ganzes Leben nachlebten. Der kluge Arzt, der das Heilmittel für ihre

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