Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
zögerten nicht, nach ihr Gelüste zu tragen. Der erste sprach: »Ich wette, dem Manne die Ziege rauben zu wollen, ohne daß er es sich einfallen läßt, sie von mir zurückzufordern!« »Und ich«, hub der zweite an, »will ihm den Esel stehlen, auf dem er sitzt!« »Wahrlich, das ist schwer,« sagte der letzte darauf, »doch ich will ihm alle seine Kleider nehmen, und zwar soll er es zufrieden sein!«
Der erste Dieb folgte leisen Schrittes dem Bauern, löste sachte das Glöckchen von dem Halse der Ziege, band es dem Esel an den Schwanz und entfernte sich mit seiner Beute. Der auf seinem Esel sitzende Mann hörte immer den Ton des Glöckchens und glaubte steif und fest, daß ihm die Ziege folge; nach geraumer Zeit aber wandte er den Kopf um und sah zu seinem Erstaunen das Tier, das er auf dem Markte hatte verkaufen wollen, nicht mehr in seinem Gefolge. Und er fragte deswegen alle Vorübergehenden um Auskunft; der zweite Schelm näherte sich nun und sprach zu ihm: »Ich habe soeben an der Krümmung dieses Weges einen Menschen gesehen, der, eine Ziege mit sich ziehend, flüchtete!«
Der Bauer stieg in größter Eile von seinem Esel und bat den Bösewicht, er möge so gut sein und ihn halten, und schickte sich an, nach Leibeskräften dem angeblichen Diebe nachzusetzen; nachdem er ein gut Teil Wegs gelaufen war, kehrte er ganz erschöpft zurück, und um sein Unglück noch größer zu machen, fand er weder seinen Esel noch dessen Hüter.
Unsere beiden Räuber gewannen, jeder sehr zufrieden mit seiner Beute, das Weite; der dritte aber erwartete seinen Mann am Rande eines Weihers, an dem er notgedrungen vorüberkommen mußte. Der Schelm stieß ein Jammergeschrei aus und klagte so bitterlich, daß der Mann, der seinen Esel und seine Ziege verloren hatte, verlockt wurde, an den heranzutreten, der ihm so betrübt zu sein schien. »Worüber verzweifelst du,« redete er ihn an, »du bist sicherlich nicht so unglücklich als ich. Ich habe zwei Tiere verloren, deren Preis mein Glück machen sollte; mein Esel und meine Ziege würden mich eines Tages reich gemacht haben!« »Ach, welch kleinen Verlust hast du,« erwiderte der Gauner, »während ich einen Kasten voll Diamanten, den ich beauftragt war, zum Kalifen zu bringen, in diesen Weiher habe fallen lassen! Vielleicht werde ich wie ein Räuber gehängt.« »Warum machst du dich denn nicht daran,« fragte der Bauer, »die reiche Beute auf dem Grunde des Weihers zu suchen, er ist doch nicht tief?« »Ach, ich bin nicht geschickt genug«, entgegnete der Bösewicht; »lieber will ich Gefahr laufen, gehängt zu werden, als unfehlbar ertrinken; doch wenn mir jemand diesen Dienst erweisen will, so soll er gut und gern zehn Goldstücke haben!«
Der arme Betrogene dankte dem Propheten, daß er ihm eine so günstige Gelegenheit böte, den Verlust seines Esels und seiner Ziege wieder wettzumachen: »Wenn du mir zehn Goldstücke versprichst, will ich dir deinen Kasten wieder herausholen!« Gesagt, getan; er legte seine Kleider ab und stieg mit so viel Gewandtheit in den Weiher, daß der Dieb sehr wohl merkte, er würde kaum Zeit haben, seine Beute fortzuschleppen.
Als der Bauer auf den Grund des Weihers gestoßen war, fand er dort den Kasten nicht, und als er wieder hervorkam, gab es keinen Zweifel an seinem Unglück mehr. Kleider, Esel und Ziege waren verschiedene Wege gegangen, und ihr unglücklicher Herr gewann mit Not einen Ort, an dem man ihm seine Blöße bedeckte.
Die Geschichte von der unerhörten Grausamkeit eines Vaters
Ein Kaufmann, mit Namen Kebal, hatte eine junge, reiche und liebenswerte Frau geheiratet; obschon das Gesetz die Vielweiberei gestattet, wollte das herrische Weib weder Herz noch Bett ihres Gatten mit andern teilen. Schwach und unterwürfig, wie Kebal war, fürchtete er sich vor einer Frau, der er sein Vermögen verdankte, und hatte selbst zu ihren Gunsten auf das Vorrecht, das ihm das Gesetz gab, verzichtet und ihr eine ewige Treue geschworen. Fern von seinem Weibe aber vergaß er bald die Versprechungen, die er ihr gemacht hatte.
Sein Handelsgeschäft hatte ihn zu einer Reise genötigt, auf der er in die Netze einer jungen und schönen Sklavin geriet, die er um fünfhundert Dinare kaufte. Nach neun Monaten brachte diese Sklavin ein Kind zur Welt, dessen Geburt dem Vater sehr zu unpaß kam und ihm den lebhaftesten Schrecken einjagte.
Kebal wünschte Frieden im Hause, und es wurde ihm wahrlich nicht schwer, ihn durch ein Verbrechen zu erkaufen. Seine
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