Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Gattin, die er in einer Art von Trunkenheit vergessen hatte, stand ihm vor Augen, und die Furcht vor einer eifersüchtigen Frau ließ ihn alles menschliche Gefühl ablegen. Und zwar fing er damit an, seiner Ruhe den unglücklichen Gegenstand seiner Liebe zu opfern; nachdem er die Mutter hatte töten lassen, wollte er auch den Sohn umbringen; aber, so grausam er auch war, die Stimme der Natur machte sich doch in seinem Innern wider Willen bemerkbar und hielt seinen Arm auf. Um nicht gegen sein eignes Blut zu wüten, faßte er den Entschluß, das Kind in die Einöde zu tragen; fest überzeugt, daß sein unglückliches Opfer dort bald umkommen müsse. Die Vorsehung jedoch, die über des Kindes Tage wachte, führte einen Hirten in die Gegend, wo es ausgesetzt war; seine Schönheit, sein klägliches Wimmern, sein Unglück rührte den armen Hirten so, daß er es in seine Hütte trug; sein Weib war ebenso mitleidig wie er, belud sich gern mit dem Kinde und gab ihm eine Ziege als Ernährerin. Es war schon vier Jahre alt, als Kebal auf einer Reise durch den Ort kam, in dem der Hirte, der auch sein Wirt wurde, wohnte; er sah seinen Sohn, den er nicht wiedererkannte; sei es nun, daß er durch die Schönheit des Kindes gerührt wurde, sei es, daß die Natur zu seinen Gunsten sprach, er fühlte sich bei seinem Anblicke betroffen und fragte den Hirten, ob er der Vater des Kindes wäre.
Welche Überraschung für Kebal, als der Hirt ihm erzählte, wie er zu dem Kinde gekommen war, und er in ihm seinen Sohn erkannte! Der Zuneigung, die ihn ergriffen hatte, folgten die Gefühle bitteren Hasses; er verbarg sie indessen und gab vor, daß ihn die Liebenswürdigkeit des Kindes rühre; er drang in den Hirten, es ihm zu verkaufen, und bot ihm fünfhundert Golddinare.
Die kärglichen Umstände des Hirten, seine Liebe zu dem Kinde, die Überzeugung, es würde es bei einem reichen Manne besser haben als bei ihm, ließen ihn in seinen Vorschlag einstimmen. Er argwöhnte nicht im entferntesten das Los, das seines Schützlings wartete.
Kebal hatte ihn nicht so bald in seiner Gewalt, als er ihn mit sich nahm und ans Meeresufer führte; die Schönheit des zarten Kindes, seine Unschuld, seine zärtlichen Liebkosungen, seine Schreie, seine Tränen, nichts konnte das Herz des grausamen Kebal rühren. Er nahm seinen Sohn, steckte ihn in einen Ledersack und warf ihn ins Meer, im festen Glauben, daß er dieses Mal nicht dem bitteren Tode entrinnen würde. Der Himmel hatte es freilich anders beschlossen. Der Sack geriet in die Netze eines Fischers, der sie zufällig im selben Augenblicke herauszog.
Der erstaunte Fischer öffnete den Sack, und ein Kind darin erblickend, das noch atmete, hob er es an den Beinen hoch; und nachdem er es wieder ins Leben zurückgerufen hatte, trug er es in seine Hütte. Dem Sohne Kebals war es bestimmt, überall, ausgenommen bei seinem harten Vater, mitleidige Seelen zu finden.
Der Fischer zog ihn in seinem Gewerbe auf; der junge Findling zeichnete sich durch seine Geschicklichkeit und Unerschrockenheit aus und war schon fünfzehn Jahre alt, als Kebal, der zahlreiche Reisen seines Handels wegen unternahm, durch die Stadt kam, wo der Jüngling verweilte; und er begegnete ihm mit dem Fischer, der ihm das Leben gerettet hatte; sie waren mit Fischen beladen, die sie in den Straßen feilboten. Die freundliche Miene des jungen Mannes fiel Kebal auf, und um zu erfahren, wer er war, kaufte er dem Fischer einiges ab und fragte ihn darauf, ob der, so ihm folge, sein Sohn wäre. Der Fischer entgegnete, er sei nicht sein Vater, und erzählte ihm, auf welche Weise er ihn in seinen Netzen in einem zugebundenen Sacke gefunden hatte.
Kebal, der seinen Sohn wiedererkannte, konnte nicht begreifen, wie er dem Tode habe entwischen können, den er für unvermeidlich gehalten hatte. Ob des Mißerfolgs so vieler Verbrechen verzweifelt, beschloß er, bessere Maßregeln zu ergreifen: er bot dem Fischer fünfhundert Dinare als Preis für den jungen Mann, und der Handel wurde alsobald abgeschlossen.
Ohne sich seinem Sohne zu erkennen zu geben, hielt er ihn wie einen Sklaven; seine Sanftmut, seine Treue, nichts konnte den grausamen Vater, der jeden Tag entschlossener wurde, ihn umkommen zu lassen, rühren.
Zwei Jahre waren bereits verstrichen, seit ihm sein Sohn mit einem beispiellosen Eifer diente, als er ihm ein versiegeltes Schreiben gab: »Reise nach Bagdad,« sprach er zu ihm, »dort wirst du meine Tochter finden; ihr übergibst du diese
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