Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Straße Bagdads in die andere; und war stets nur darauf bedacht, wie er sein Nachtmahl erwerben könnte. Als er nun so breitbeinig einherging, bald mit dem linken, bald mit dem rechten Arme schlenkerte und einen Mandelbaumzweig in der Hand trug, sah ihn jedermann für einen Bildar an, der irgendeinem vornehmen Manne zugehörte. In Gedanken versunken und ohne zu wissen, wohin er ging, befand er sich zu guter Letzt auf einem Marktplatze, wo eine große Menschenmasse zwei kämpfende Männer umstand. Sobald er vernommen hatte, was vorging, gebrauchte er seinen Mandelzweig und bahnte sich schleunigst einen Weg durch das Gedränge; da man ihn aber für einen Untergebenen des Kalifen hielt oder auch die Kraft seines Armes fürchten mochte, wichen alle Menschen vor ihm aus. Wie er sich den Streitenden näherte, sah er sie, mit Blut und Staub bedeckt, noch im wütenden Handgemenge, weil es keiner der Umstehenden gewagt hatte, sie auseinanderzubringen. Als Basem nun dahinterkam, welchen Eindruck seine riesige Gestalt auf die Volksmenge machte und daß man ihn gar für einen Bildar hielt, faßte er mit der einen Hand den Griff seines Holzschwertes und schwang mit der anderen seinen Mandelzweig, trat dann zwischen die Streitenden, und nachdem er beiden Teilen einige Hiebe versetzt hatte, machte er ihrer Prügelei ein Ende.
Nun erschien der Scheich des Marktes, und da er Basem für einen Bildar hielt, gab er ihm fünf Dirhems mit dem Auftrage, die beiden Händelsüchtigen vor den Kalifen zu führen, auf daß sie als Störer der öffentlichen Ruhe bestraft würden. Nachdem Basem das Geld in seinem Gürtel untergebracht hatte, brummelte er vor sich hin: »Ich bin wieder Basem, Allah sorgt für mich!« Dann packte er die beiden Übeltäter und hob sie von der Erde auf und nahm unter jeden Arm einen von ihnen und schritt gemächlich mit ihnen dahin. Eine große Volksmenge aber zog ihm nach und bestand darauf, daß die beiden Streitenden sich versöhnten und entlassen würden; mit scheinbarem Widerwillen gab Basem schließlich nach, wennschon er froh war, ihrer auf solche Weise ledig zu werden. Als er dann wieder allein war, sprach er zu sich selbst: »Das geht ja wider alles Erwarten gut; die fünf Dirhems sind sicherlieh ein Geschenk Allahs; wahrlich, es steht fest, daß ich all meine Lebtage Bildar sein und bleiben will. Bei Allah, jetzt will ich meine Genossen im Palaste aufsuchen!«
Im Dienste des Kalifen aber standen dreißig Bildare, deren zehn stets drei Tage über Dienst zu tun hatten und dann von den nächsten zehn abgelöst wurden. Gemäß seiner Absicht wanderte Basem nun nach dem Palaste und reihte sich unter die Bildare. Doch fand er sie in jeder Beziehung sehr verschieden von sich; sie waren zierlicher als er gebaut, und ihre reichen Gewänder von den mannigfaltigsten Farben gaben ihnen, wenn sie in einer Reihe standen, das Aussehen eines Blumenbeetes in einem Garten. Da sprach er bei sich selbst: »Wie, diese weibischen Knaben sind die Bildare des Kalifen? Sie ähneln mir nicht, mein Gewand würde ihnen wenig anstehen, und ich möchte nicht in ihrem stecken, weil es schlecht zu ihrem Amte zu passen scheint.« Trotzdem er beim Anstellen dieses Vergleiches eine Art von Verachtung empfand, konnte er es doch nicht unterlassen, sie des öfteren anzublicken. Zur selbigen Zeit aber betrachtete ihn deren Befehlshaber, der Basem für den Bildar eines Emirs hielt, der zu Besuch in den Palast gekommen war, weil es zu Hause nichts für ihn zu tun gab. Als er diese Vermutung seinen umstehenden Gefährten gesagt hatte, fuhr er fort: »Wir müssen diesen Fremdling als unseren Gast betrachten; wenn wir nicht irgendeine lohnende Verrichtung für ihn ausfindig machten, würde man zu unserer Schmach sagen, daß ein Amtsgenosse zu unserm Besuche in den Kalifenpalast gekommen wäre, ohne daß der Erste der Bildare imstande gewesen sei, ihm einen Nutzen zu verschaffen!« Seine Gefährten erwiderten: »O Hauptmann, wenn du es für gut befindest, großmütig zu sein, so brauchst du uns wahrlich nicht erst darum zu befragen!«
Hierauf ging der Erste der Bildare zu dem Schreiber der Schatzkammer und ließ an einen reichen Zuckerbäcker den Befehl oder die Weisung ausfertigen, sogleich zu erscheinen und die Summe von fünftausend Dirhems zu bezahlen, die er aus verschiedenen Gründen, die in der Vorladung angegeben waren, schuldig sei. Und da hierzu die Unterschrift des Wesirs nötig war, so wußte er sich auch die zu verschaffen; ging mit
Weitere Kostenlose Bücher