Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
diesem Papiere nach dem Orte zurück, wo Basem noch immer stand, und rief ihm zu: »Heda, o Bruder, heda, o Bildar!« Basem fragte ganz erstaunt: »Rufst du mich?« »Ja!« entgegnete der Erste der Bildare. »Ich bin bereit, deinem Befehle nachzukommen«, sagte Basem darauf und trat voll großer Ehrerbietung vor ihn hin. Da sagte der Erste: »Ich wünsche deine Freundschaft zu erwerben und bitte dich, dieses Papier der Schatzkammer mit der Unterschrift des Wesirs zu Meister Othman zu tragen und ihn zur Bezahlung der fünftausend Dirhems aufzufordern. Du kennst dein Amt,« fuhr er fort, »und wenn er sich aufführt, wie es sich gehört, so nimm, was er dir anbietet, und gehe in Frieden nach Hause. Solches tun wir nur, um dir zu dienen und einen Freund zu ehren, der uns zu besuchen gekommen ist!«
Dieser neue Glücksumstand stieg Basem nicht wenig zu Kopfe; er hielt es nun gar unter seiner Würde, zu Fuß zu gehen, und bestieg einen der Esel, die in den Straßen zu vermieten stehen, befahl dem Eseltreiber, sich nach der Wohnung des Zuckerbäckers umzusehen, und erfuhr sie bald, denn Meister Othman verstand sich auf sein Gewerbe und hatte ein hübsches Haus und einen geräumigen Laden und großen Zulauf von Käufern.
Basem ritt nun auf seinem Esel, der nicht halb so dick wie er selbst war, gemächlich durch die Straßen, bis er bei der Werkstatt anlangte, wo Meister Othman ruhig dasaß und seine Leute beaufsichtigte. »Ich bin Basem, der Grobschmied«, sprach er; der Zuckerbäcker aber achtete seiner nicht, »und habe meine Gefährten und meine anderen Geschäfte bloß deshalb verlassen,« fuhr er fort, »um dich aufzusuchen und dir anzukündigen, daß du dich unverzüglich nach dem Palaste zu begeben und das Geld mitzunehmen hast, das du der Schatzkammer schuldest und von dem du keinen Asper Erlaß hoffen darfst. Dieses Schriftstück enthält den Befehl des Wesirs, sofort zu erscheinen; und weil du die Ehre hast, des Kalifen Schuldner zu sein, wirst du gut daran tun, dich sogleich aufzumachen und mir nach dem Palaste zu folgen und die fünftausend Dirhems mitzunehmen!« Othman erhob sich jetzt von seinem Sitze und betrachtete Basem aufmerksamer, näherte sich ihm dann sehr demutsvoll und nahm das Papier in Empfang, das er zuerst küßte und darauf auf seinen Kopf legte. Jetzt aber sagte er zu Basem in den niedrigsten und kriechendsten Ausdrücken: »O Vortrefflichster aller Bildare, Allah hat mich durch deinen Besuch über die Maßen beglückt! Ich bin nichts anderes denn dein Diener und Sklave, und weit entfernt von der Beredsamkeit deiner Zunge vermag ich dir nur zu sagen, daß alles seine Richtigkeit hat und daß ich alles tun werde, was du irgend verlangst. Mittlerweile aber laß dich erbitten, abzusteigen.«
Gleichzeitig befahl er seiner Gesellen einem, Basem von dem Esel zu helfen. Mit gemachter Würde wandte sich Basem nun an den Eseltreiber, reichte ihm einen halben Dirhem und entließ ihn. Dann schnaufte er heftig und wischte sich die Stirne, als wenn er erhitzt wäre. Der Zuckerbäcker aber nötigte Basem, den Sitz einzunehmen, den er selbst innegehabt hatte, und ließ heimlich zehn Pfund Kabab aus dem Basare holen und es in dünnen Eladen einlegen. Inzwischen breitete er ein Tellertuch über Basems Knie aus und setzte ihm Orangenschnitte mit gestoßener Minze und einen Kuchen aus Zuckerteig und etwas Honig vor. Dann sagte er: »O Erster aller Bildare, ich bitte dich, geruhe einen Imbiß bei mir einzunehmen, auf daß die Galle nicht zu stark an deinem Magen zehre, dieweilen in der Küche etwas Besseres hergerichtet wird!« Und er gab danach einem seiner Untergebenen einen Wink, worauf der alsbald ein großes Gefäß voll Scherbett aus dem abgezogenen Wasser der gelben Wasserlilie, das mit in Rosenwasser aufgelöstem Moschus untermischt wurde, bereitete und es seinem Meister brachte, der es Basem darreichte.
Der Bildar jedoch spielte den großen Herrn und tat so, als hätte er keine Lust, zu frühstücken; da fing Othman wieder an und sagte: »O Erster aller Bildare, bei Allah und dem Jüngsten Gericht beschwöre ich dich, koste etwas von diesem Scherbett und von den vor dir stehenden Gerichten, sollte es auch noch so wenig sein. Wenn du meiner untertänigen Bitte nicht nachkommst, wahrlich, so schwöre ich dir, mich durch dreimaliges: ›ich verstoße dich‹ von meinem Weibe zu scheiden.« Basem sagte darauf: »Halt, halt, o Bruder, auf daß du deinen Eid nicht brechen oder deine Frau verstoßen sollst,
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