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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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Fürst der Rechtgläubigen grüßt dich und fragt dich, ob du deines Versprechens, den heutigen Abend allein mit ihm in heitrer Gesellschaft zuzubringen, vergessen habest?« »Nein! wahrlich nein! Ich hab es nicht vergessen; aber mein Nachmittagsschlaf verspätete mich heute ungewöhnlich.« »So eile nun, o Herr, denn der Fürst der Rechtgläubigen hat mir den Auftrag gegeben, nicht von deiner Seite zu gehen, bis ich dich in seine Gegenwart gebracht habe.«
    Mutasim befahl, die Pferde vorzuführen, wusch und kleidete und parfümierte sich, und machte sich auf den Weg in Begleitung des Jünglings, den er für einen der vertrautesten Zechgenossen des Kalifen ansah und mit dem er sich sehr gerne unterhielt; so schön und süß war seine Rede, so einnehmend seine Sitten.
    Sie kamen bis an das Tor des Palastes, wo der Jüngling mit Mutasim abstieg und mit ihm das innerste Gemach des Kalifen betrat. Dort setzte er sich, als ob er immer da zu Hause gewesen wäre, zwischen Mutasim und dem Kalifen nieder, der ihn für einen der vertrautesten Zechgenossen und Gesellschafter seines Bruders hielt. Das Gespräch begann, der Jüngling aber wußte so geschickt den Ball der Rede zu schlagen, daß der Kalif und Mutasim mit Vergnügen seinem hochschwebenden Fluge zusahen. Vom Größten bis zum Kleinsten, vom Ernstesten bis zum Leichtesten, alles umfaßte sein Geist, über alles goß er das Schimmerlicht seines Witzes aus und ordnete die mannigfaltigsten Einfälle zu einem schönen Ganzen. Seine Worte waren so viele durchbohrte Perlen, die er an dem Faden des Gespräches zum schönsten Hals- und Armschmucke zusammenzureihen wußte. Der Kalif war entzückt ob seines unbekannten Gastes und konnte seinem Bruder, der ihm den mitgebracht hatte, nicht genug Dank wissen und erwartete nun mit Ungeduld die Gelegenheit, ihm den zu bezeigen. Indessen kam die Stunde des Essens heran. Die Gerichte wurden aufgetragen, und nach aufgehobenem Mahle befahl Maamun, daß die Sklavinnen des Harems unentschleiert vortreten sollten.
    Sie sangen und spielten. Da war kein Ton und keine Weise, in welcher der Jüngling unerfahren gewesen wäre, was dann die Hochachtung des Kalifen für ihn nicht wenig erhöhte. Endlich kam der Augenblick, wo ein dringendes Bedürfnis den jungen Menschen zwang, sich zu entfernen. Er wußte wohl, daß er, sobald er den Rücken gewandt hatte, auch entdeckt sein würde, und hielt sich für verloren; indessen hatte er doch Mut genug, wieder zurückzukommen. Während seiner Abwesenheit hatten sich Maamun und Mutasim zugleich mit Fragen angefallen; wer denn des andern Freund und Zechgenosse sei? Keiner wußte Bescheid, und nun war der ungeladene Fremdling entdeckt.
    Maamun fuhr im ersten Zorne gewaltig auf und schickte die Sklavinnen des Harems sogleich hinweg. Als der Jüngling zurückkam, die Mädchen auf der Flucht und den Kalifen voller Grimm erblickte, wandte er sich mit festem und ruhigem Ton an den Bruder des Kalifen. »O Ebi Ishak,« – dies war sein Vorname – redete er ihn an, »das ist wieder ein gegebenes Wort, so sind wir nicht eins geworden, daß du mir wieder einen deiner gewöhnlichen Streiche spielen und dem Fürsten der Rechtgläubigen der Himmel weiß was für Mücken in den Kopf setzen sollst.« Dann fuhr er fort, sich gegen Maamun wendend: »So macht er mirs immer, o Herr, und stürzt mich durch seine Scherze in Abgründe, aus denen ich mich oft nur mit tausend Nöten rette.«. Dann sprach er zu Mutasim: »So höre doch auf und mache des Scherzens ein Ende; ich beschwöre dich beim Haupte des Fürsten der Rechtgläubigen!« Als Maamun so viel Festigkeit und Zuversicht sah, wußte er selbst nicht, wie er daran war und wer von beiden die Wahrheit redete, der Zechgenosse oder Mutasim. Er beschwor diesen, ihm doch die Wahrheit zu sagen, und Mutasim schwur ihm hoch und heilig, daß er den jungen Menschen heute zum ersten Male gesehen habe. Dieser hingegen strafte ihn mit Beteuerungen und umständlichen näheren Angaben von Orten und Gelegenheiten, wo sie beisammen gewesen sein sollten, Lügen. Maamun mußte lachen und wußte sich nicht anders aus dem Zweifel zu helfen, als daß er dem jungen Menschen Verzeihung verhieß, wenn er ihm die Wahrheit gestehen wolle. Er gestand; und Maamun gefiel sich so gut in seiner Gesellschaft, daß er die Sklavinnen des Harems wieder zurückkommen ließ. Dann begehrte er, er solle ihm ohne Hehl das Merkwürdigste erzählen, was ihm auf seinem Wege von Kufah nach Bagdad begegnet war.

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