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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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und stellte vor, es sei eine gar zu große Verschwendung, einem Beduinen hunderttausend Dirhems für ein Distichon auszuzahlen, das vielleicht obendrein noch gestohlen sei. Man müßte prüfen, meinte er, ob der Araber wirklich aus dem Stegreife zu dichten imstande sei, und er riet daher dem Barmekiden, dem Beduinen mit dem Tode zu drohen, wenn er nicht sogleich etwas aus dem Stegreif dichtete. ›Ist ers nicht imstande, so schwöre ich,‹ sagte der Schatzmeister, ›daß ich ihm, ungeachtet deines Befehls, o Fürst, nur einen Teil der hunderttausend Dirhems auszahlen werde.‹ Der Barmekide nahm seinen Bogen und Pfeil und drohte, den Beduinen auf der Stelle zu durchbohren, wenn er ihm nicht etwas aus dem Stegreife hersagte. Dieser entgegnete mit dem Verse:
    Kühn entschwirrte der Pfeil dem goldenen Bogen der Großmut,
Immerhin durchbohr meine Armut damit.
    Al-Fasl konnte sich des Lachens nicht enthalten und befahl seinem Wesir, dem Araber zweimalhunderttausend Dirhems auszuzahlen.
    Der Araber konnte nichts weiter als vor Rührung und Dankbarkeit weinen. ›Sind das Freudentränen,‹ fragte Al-Fasl, ›die dir der Glanz des Goldes auspreßt?‹ ›Nein, wahrlich nicht,‹ antwortete der Beduine, ›sondern es sind die Tränen, die mir der Gedanke abzwingt, daß Menschen wie du in die Finsternis des Grabes steigen, wo das Licht der Großmut nicht leuchtet.«
    ~ ~ ~
    Einer der gewöhnlichen Gesellschafter und Vertrauten Harun al-Raschids erzählte: »An einem umwölkten regnerischen Morgen gab uns Al-Raschid den Bescheid, fortzugehen und drei Tage in unserem Hause zu bleiben. Die andern Gesellschafter gingen jeder ihren Weg, und ich verfügte mich nach der Wohnung meines Meisters, Ibrahim von Mosul. ›Was macht dein Herr?‹ fragte ich den Türhüter. ›Geh nur hinein,‹ sprach er, ›wenn du es wissen willst.‹ Ich ging hinein und fand ihn, im Vorsaale sitzend, mit einer Flasche Wein und einer Kanne Wasser vor sich.
    ›O Meister,‹ sprach ich, ›laß den Vorhang des Harems kein Hindernis sein, der uns den Genuß der schönen Stimmen deiner Sängerinnen entziehe.‹ ›Nun, so setze dich,‹ sprach Ibrahim, ›du findest mich ganz verstört. Ich erwachte, wie du siehst, um des Morgentrunks zu genießen, als ich vernahm, eine fremde Sängerin sei gekommen, die meinigen zu besuchen. Ich gab mir alle mögliche Mühe, sie zu besitzen, aber fruchtlos. Umsonst habe ich ihr bis jetzt hunderttausend Dirhems geboten.‹ ›Ei, so gib, was du geboten hast, und biete noch mehr, du bringst es ja bald wieder auf einer andern Seite ein.‹ ›Du hast recht,‹ sprach er, ›mich verdrießt es aber der Mühe, diese Summe jetzt von allen Seiten aufbringen zu sollen, ich möchte sie mir auf eine leichtere Art verdienen. Geh, nimm den Griffel und schreibe, was ich dir ansage:
    Kummer und Gram vertreiben den Schlaf von den süßen Augen,
Jahjas Großmut allein senket denselben ins Aug.
    Mit diesem Vers verfüge dich zu Jahja, dem Barmekiden, erzähle, was du gesehen hast, und begehre, daß er den Vorhang des Harems lüften lasse, auf daß du den Gesang dieser Worte seiner Sklavin Demanir lehren könntest, die dessen allein würdig ist!‹
    Ich tat, wie mir befohlen, und sang die Worte der genannten Sklavin einigemal vor, bis die sie auswendig wußte. Jahja befahl sogleich, für mich zehn- und für Ibrahim hunderttausend Dirhems auszuzahlen. Da es schon spät war, ging ich nicht mehr zum Meister, sondern nach meiner Wohnung, wo ich mit meinen eigenen Sklavinnen lustig war. Am Morgen aber trug ich die hunderttausend Dirhems zu Ibrahim, den ich, wie am vorigen Tage, beim Morgentrunk fand. Er hieß mich andere Worte und andere Musik schreiben, die ich wieder zu Jahja trug und dafür das Doppelte des gestrigen Lohnes erhielt.
    ~ ~ ~
    Maamun, der Kalif, ging eines Tages an Subaidah, der verwitweten Gemahlin des Kalifen Harun al-Raschid, seines Vaters, vorbei. Sie murmelte etwas zwischen den Zähnen. »Wie? fluchst du mir vielleicht noch, o Fürstin,« fragte der Kaliif, »weil ich deinen Sohn, Mohammed al-Amin, hinrichten ließ?« »Nein, wahrhaftig nicht, o Fürst der Rechtgläubigen!« »Nun, was war es denn, das du hermurmeltest?« Subaidah weigerte sich lange, endlich sprach sie: »Ich wiederholte nur mein gewöhnliches Sprichwort: Allah verdamme die Zudringlichen!« »Und warum das?« forschte der Kalif weiter. »Dringe nicht in mich, o Fürst der Rechtgläubigen, du möchtest hören, was dir mißfiele.« Aber je mehr sich

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