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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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billig, daß der Lohn, den du dafür verlangst, einem Traume ähnlich ist!‹ Über solches Urteil war das Volk, das sich dazu eingestellt hatte, sehr erstaunt und konnte kaum glauben, was es doch mit eigenen Augen gesehen hatte, daß ein vernunftloses Tier einen solchen Urteilsspruch mit so großer Klugheit gefällt hatte. So wurde denn der Name des Papageien in der ganzen Stadt berühmt und bekannt.
    Als dies nun der Kaiserin zu Ohren kam, meinte sie, in dem Tiere, das von so hoher Vernunft und Klugheit sei, müsse sich der Geist des Kaisers, ihres Gatten, befinden, und gab Befehl, daß der Papagei mitsamt dem Vogelsteller sogleich vor sie gebracht werden sollten. Und dies wurde von den Dienern ausgeführt. Als der Vogelsteller in dem Serail angelangt war, wurde er unverzüglich vor das Angesicht der Kaiserin gebracht. Nachdem sie ihn lange über den Fang und die Klugheit des Tieres befragt hatte, ließ sie ihn wissen, daß sie ihn, falls er damit einverstanden wäre, ihn ihr zu verkaufen, zu einem so großen Herrn machen wolle, daß er nicht mehr auf den Vogelfang auszugehen brauche. Als die Kaiserin diese Worte gesagt hatte, sprach er: ›Wir, o Herrin, der Vogel und ich, sind in deiner Macht; und die höchste Gunst, die ich von dir erbitten kann, ist: du möchtest ihn von mir als Geschenk annehmen, da ich deine Huld höher sehätze als den Reichtum, den ich mir mit ihm erwerben könnte!‹ Über solche Worte geriet die Kaiserin in große Verwunderung und konnte kaum glauben, daß der Vogelsteller eine so edle Gesinnung hatte, nahm den Papagei an und ließ sogleich seinem Herrn seiner Freigebigkeit wegen ein Jahrgeld von fünfhundert Dinaren verschreiben. Nachdem sie dem Tiere einen reichen und kostbaren Käfig hatte machen lassen, setzte sie ihn hinein und ließ ihn in ihr Gemach bringen;und mit ihm über verschiedene Dinge redend, pflegte sie den größten Teil des Tages so zuzubringen. Als nun der Papagei einen Zeitraum von zwei Monaten Tag und Nacht bei der Kaiserin zugebracht und niemals gesehen hatte, daß der falsche Kaiser bei ihr lag, wurde er darüber sehr froh, obschon er sich in einem so traurigen Zustande befand. Eines Morgens aber unterhielt sie sich mit ihm zu einer Zeit, da sie sich allein in ihrem Gemache befand, und sie sprach zu ihm: ›Ich merke wahrlich, o mein kluges und weises Tier, daß du dich mit mir über die verschiedensten Dinge mit viel Verstand und Weisheit unterhältst, deshalb kann ich nicht glauben, daß du vernunftlos bist, vielmehr halte ich es für gewiß, daß in dir der Geist eines edlen Menschen weilt, der durch Zauberkunst in einen Papagei verwandelt ist; da ich dies nun wahrlich glaube, bitte ich dich gar sehr, mir gegenüber offen zu sein!‹ Als die Kaiserin solche Worte beendet hatte, konnte sich der Fürst der großen Liebe wegen, die er für sein Weib hegte, nicht länger zurückhalten und erzählte ihm die ganze Geschichte von Anfang an und wie er sich durch den Verrat des treulosen und schändlichen Wesirs in einem so unglücklichen und so elenden Zustand befand. Hierauf antwortete die Kaiserin, daß sie dies an der ungewohnten Weise, in der sie der falsche Kaiser umarmt hatte, wohl gemerkt habe; und wie sie ihm den Schwur getan habe, ehe sie bei ihm liege, wolle sie sich mit eigener Hand den Tod geben. Da sprach der Papagei: ›Wenn du willst, kannst du sofort eine Heilung für alles finden und mich in meinen früheren Zustand zurückversetzen und an dem elenden und treulosen Wesir eine vollständige Rache nehmen!‹ Da sie dies mehr als alles andere wünschte, bat sie ihn, ihr die Weise, wie sie es tun könnte, anzugeben. Das Tier antwortete:›Wenn sich der falsche Kaiser mit meinem Körper dir nähern will, zeige ihm ein heiteres und fröhliches Gesicht und fange an, ihn zu liebkosen, und sage zu ihm: ›Wahrlich, ich kann mich dem unglücklichsten Weib, das es auf der Welt gibt, vergleichen, weil ich dich liebe, so sehr ich es nur kann, und doch nicht imstande bin, mich deiner zu erfreuen, wie ich es früher zu tun pflegte, infolge des Argwohnes, der, was deine Person angeht, in mir erregt ist: seit langer Zeit nämlich sehe ich dich nicht mehr mit deinem Geiste in den Leichnam irgendeines Tieres schlüpfen und in ihm zu deinem Vergnügen herumspringen, wie du es ehedem zu tun pflegtest; deshalb nun glaube ich vor Kummer zu sterben.‹ Da er nun keine andere Sache, als bei dir zu liegen, sehnlicher wünscht, darf man glauben, daß er sogleich, um dich

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