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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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rief er ihn eines Tages vor sichund ließ ihn um seinen Entschluß wissen und sagte ihm auch, es seien ihm vieler großen Herrscher Töchter dazu angetragen worden. Als Antwort hierauf hatte ihm der Sohn gesagt, er wolle ihm in allem zu Willen sein; und hatte ferner untertänig gebeten, wenn er vermählt werden solle, möchte er ihm die Wahl überlassen. Weil er, wenn er ein Weib nehmen müßte, die ganze Zeit seines Lebens mit ihm zu verbringen habe, so wolle er eines, das seinen Augen wohlgefällig wäre, und kein anderes nehmen. Damit war der Vater wohl zufrieden, doch konnte er keines, das dem Sohne zusagte, finden. Hierüber war er über die Maßen betrübt und wußte nicht, was er in dieser Sache zu tun vermöchte, und führte ein recht trauriges und schmerzensreiches Leben. Nun hatte sein Wesir eine sehr schöne und kluge Tochter; und es ereignete sich, daß ihre Amme, die ein verständiges, kluges Weib war, nachdem sie erfahren hatte, man könnte keine Jungfrau finden, die dem Jüngling wohlgefällig wäre, sich einredete, daß ihm die Wesirstochter ihrer großen Schönheit wegen gefallen möchte. Als sie gelegentlich bei ihm war, gab sie ihm zu verstehen, wenn er die Tochter ihres Herrn gesehen hätte, die an Klugheit und Gestalt alle andern ihres Alters überragte, würde er sie, des sei sie überzeugt, zum Weibe begehren. Solchen Worten lieh der Jüngling ein Ohr und bat die Amme inständigst, sie möchte ihm verraten, wie er sie sehen könnte. Sie antwortete ihm: »Der Wesir, mein Gebieter, pflegt seine Tochter jeden Sonntag auf die Jagd zu schicken, auf daß sie zum wenigsten an diesem Tage einiges Vergnügen habe, nachdem sie sich die ganze Woche über mit tugendsamen Arbeiten beschäftigt hat. Wünschst du sie nun zu sehen, so kann das sehr leicht geschehen, wenn du uns am nächsten Sonntage ins Feld folgen willst!« Fürdiese Worte dankte der Jüngling der Amme herzlich und offenbarte sich einem einzigen seiner Gefährten. Mit diesem setzte er sich nun am Sonntag zu Pferde; und sie schickten sich an, den Frauen des Wesirs, die zur Jagd ausritten, von weitem zu folgen. Es war ungefähr drei Meilen von der Stadt ein berühmtes und altes Bethaus; als hier die Jungfrau, die der Jüngling vermöge der Zeichen der Amme erkannte, mit ihrer Gefolgschaft angekommen war, sah sie auf dem Minarett zwei Tauben; und da sie einen Bogen zur Hand hatte, setzte sie sich in Bereitschaft, mit Kügelchen auf sie zu schießen. Als aber der Jüngling, der ganz weit von ihr entfernt war, dies sah, nahm er sogleich auch den Bogen zur Hand und schoß ihn vor ihr ab, und eine der Tauben, die durch seinen Schuß getötet wurde, fiel zur Erde, die andere aber flog erschreckt auf; in der Luft jedoch wurde auch sie von der Jungfrau mit einer Kugel getötet. Hierüber verwunderte sich der Königssohn höchlichst; und da er ihre Geschicklichkeit erkannt hatte, sandte er ihr, um ihr zu beweisen, daß sie einen besseren Schuß als er getan habe, durch seinen Pferdehalter die Taube, die er getötet hatte, als Geschenk und ließ ihr sagen, weil sie den kunstgerechtesten Schuß abgegeben habe, habe sie sie gewonnen. Als nun die Jungfrau die edle Handlung des Jünglings erfuhr, konnte sie nicht dulden, daß sie von jemand an Höflichkeit übertroffen wurde, und gab die Taube demselben Pferdehalter zurück und trug ihm auf, daß er seinem Herrn in ihrem Namen für die erwiesene Güte danken sollte, und machte ihm auch ihre Taube zum Geschenk. Nachdem der Stallsklave seinen Auftrag ausgeführt hatte, erwog der Königssohn den Wert und die Klugheit der Jungfrau bei sich; und wiewohl er ihr Gesicht noch nicht gesehen hatte, verliebte er sich überdie Maßen heftig in sie. Und er beschloß, auf irgendeine Weise ihr Gesicht zu sehen, und stieg vom Pferde und verbarg sich hinter einem Busche, nicht weit von der Begleitung des Mädchens. Nahe bei dem Busch war ein sehr schöner und klarer Quell, und da die Jungfrau wegen der Anstrengungen der Jagd großen Durst litt, entschleierte sie ihr Antlitz und ließ sich in einem Krüglein Wasser schöpfen; und als der Jüngling sie auf solche Weise gesehen hatte, wurde es ihm gewiß, daß ihm die Amme die Wahrheit gesagt hatte, wenn sie von ihrer Schönheit und Tugend gesprochen hatte, und er beschloß, sie zum Weibe zu nehmen, und offenbarte sein Vorhaben sogleich seinem Vater. Der König wurde aber über die Maßen froh und zufrieden, da er schon die Hoffnung aufgegeben hatte, ein seinem Sohne

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