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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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zufriedenzustellen und dir auf solche Weise zu versichern, daß er der wahre Kaiser ist, mit seinem Geiste in irgendein totes Tier schlüpfen und dir somit Gelegenheit geben wird, dich bitter für seine Treulosigkeit zu rächen; denn sobald er das tut, öffne mir den Käfig, dann kann ich auf meinen toten Körper fliegen; und mit dem Geiste in ihn zurückkehrend, werde ich meinen früheren Zustand wiedererlangen, und wir werden nach dem Ereignisse ein frohes und ruhiges Leben leben!«
    Nachdem das Tier also geredet hatte, handelte die Kaiserin unverzüglich nach seinem Rate. Als nämlich am Abend desselben Tages der Kaiser in ihr Gemach trat und sich mit ihr, wie er es zu tun pflegte, über verschiedene Dinge unterhielt, fing sie an, ihm die Rede, die ihr von dem Papagei vorgesagt worden war, zu halten. Er aber, der nichts sehnlicher wünschte, als ihre Gunst und Liebe zu erlangen, sprach zu ihr: ›Großes Unrecht wahrlich, o Weib, hast du dir und mirallzu lange getan, da meine Person aus solchem Grunde bei dir in Verdacht geraten ist, denn in der ersten Stunde, wo du mich das hättest hören lassen, würde ich den Zweifel von dir genommen haben; doch soll man mir sogleich eine Henne bringen, auf daß ich dich sehen lasse, wie sehr dich dein Argwohn bis auf diese Stunde getäuscht hat!‹ Und nachdem solcher Befehl unverzüglich gegeben worden war, brachte man ihnen eine lebende Henne in das Gemach; und sie schlossen sich allein mit dem Papagei zusammen in das Gemach ein. Da nahm der falsche Kaiser die Henne und erdrosselte sie mit eigner Hand, und über ihrem Körper die Zauberworte sprechend, schlüpfte er mit seinem Geiste in sie, während sein eigener Körper tot auf dem Boden liegen blieb. Als die Kaiserin das sah, öffnete sie ohne Verzug den Käfig des Papageien, der aber flog über den toten Körper und kehrte kraft der Worte mit seinem Geiste in ihn zurück; der Papagei aber blieb tot. Hierüber war die Kaiserin über die Maßen froh, und Freudentränen weinend, hielt sie den wahren Kaiser, ihren Gatten, lange umarmt. Darauf nahm der die Henne, die, ihr Unglück ahnend, hin und her lief, riß ihr den Kopf ab und warf sie in das Feuer, das in dem Gemach brannte. Auf daß aber niemand im Serail etwas merkte, gaben sie vor, der Papagei sei gestorben, und gingen aus dem Gemache und sagten für den folgenden Tag für die Frauen und Vornehmen ein Fest an. Nach diesem beurlaubte der Kaiser die drei andern Frauen, die er hatte; die aber, die seines Oheims Tochter war, behielt er; und er leitete nach solch großem Unglück sein Reich mit ihr in höchster Ruhe, und sie lebten lange in Freude und Wonne!«
    Als nun der Geschichtenerzähler, der Behram-Gur erzählte, mit seiner Geschichte zu Ende gekommen war, wurdenihm vom Kaiser, der sehr große Freude an den berichteten Ereignissen gehabt hatte, reiche Geschenke gemacht; und nachdem der Urlaub erhalten, kehrte er reich beschenkt in seine Heimat zurück.
    Behram-Gur hatte sich aber durch die ihm erzählte Geschichte ein wenig erholt, und er fing an zu glauben, daß der Rat der Jünglinge ihm dazu nützlich gewesen wäre. Daher ließ er sich ihrer Bestimmung gemäß am Dienstagmorgen beizeiten in der Sänfte in den zweiten Palast bringen, der ganz mit Purpur geschmückt war, und sein ganzes Hofgesinde und er selbst war in gleicher Farbe gekleidet. Und er ließ die Jungfrau aus dem zweiten Himmelsstriche vor sein Antlitz kommen, und nachdem er sich mit ihr eine gute Zeit über viele Dinge unterhalten hatte, gab er Befehl, daß der zweite Geschichtenerzähler erscheinen sollte. Der trat nun vor ihn hin und küßte seine Hand und wurde von dem Wesire aufgefordert, seine Geschichte zu erzählen. Da begann er dann nach empfangenem Auftrag in solcher Weise:
    »In der alten Stadt Benefzuva herrschte einst ein großmächtiger König, dem viele Länder und Landstriche unterworfen waren; und weil er ein Mann von großer Macht war, ließ er sich inmitten dieser Stadt einen sehr großen Palast zu seiner Behausung erbauen, den er nachts über von hundert wilden und grimmigen Hunden bewachen ließ, die außerdem auch noch die zum Tode Verdammten zu fressen pflegten. Dieser König aber hatte einen einzigen Sohn, der außer vielen andern Tugenden, die er hatte, alle Genossen seines Alters in der Kunst des Bogenschießens übertraf. Weil er nun der einzige Sohn war, beschloß der Vater, ihm ein Weib zu geben, um Kinder von ihm zu sehen, auf daß er Erben in seinem Reiche habe. Daher

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