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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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ein wenig dahinspringen und uns auf diesen grünen Hügeln ergötzen?‹ Der Kaiser antwortete: ›Du hast wahrlich einen guten Gedanken, und sicherlich werden wir durch einen derartigen Spaziergang ein großes Vergnügen haben!‹ Nach solchen Worten stieg er vom Pferde und band es an einen Baum, stellte sich dann sogleich über eine der toten Hirschkühe und sagte die Worte des Geheimnisses, und nachdem er mit seinem Geiste in die Hirschkuh geschlüpft war, ließ er seinen Leib hier tot liegen. Als der Wesir das sah, sprang er sofort vom Pferde, trug keine Sorge, es anzuknüpfen, und stellte sich über den toten Körper des Kaisers, sagte ebenfalls die Worte des Geheimnisses und ließ seinen eignen Körper tot auf der Erde liegen, schlüpfte mit seinem Geiste in den des Kaisers, und auf dessen Pferd steigend, kehrte er zu dem Gefolge zurück; und als er wieder in die Stadt kam, wurde er von jedermann, da er den Körper und die Gestalt des Herrschers hatte, als der Kaiser verehrt. In dem Kaiserpalaste angelangt, erkundigte er sich sehr eifrig bei vielen seiner Vornehmen nach seinem Wesir; es fand sich aber niemand, der ihn gesehen hatte. Darüber trug er großen Kummer und gab vor, zu glauben, daß er von den wilden Tieren, die im Buschwerk hausten, verschlungen wäre, als er sich von dem Gefolge entfernt hätte. Von Stunde an leitete und beherrschte er das Reich und verrichtete alle Dinge, so wie es der wahre Kaiser zu tun pflegte; doch weil es dem hohen Allah nicht gefällt, daß ein Betrug lange verborgen bleibt, ereignete es sich, daß er, als er bei drei der Frauen seines Gebieters gelegen hatte, auch bei der liegen wollte, die die Tochter des Oheims des Kaisers war;und als er sich in der vierten Nacht nach der Bückkehr von der Jagd zu ihr legte, merkte sie, wie ganz anders er sie liebkoste, als es der Kaiser gewöhnlich zu tun pflegte; und da sie wußte, daß ihr Gebieter das Geheimnis, mit dem Geiste in den Leichnam jeden Tieres zu schlüpfen, kannte, fiel ihr bei, daß sich der Wesir nach der Jagd nicht wieder eingefunden habe; und als ein Weib von bestem Verstande merkte sie sogleich um den Betrug und das dem Kaiser zugestoßene Unglück. Obwohl der Wesir ganz den Körper des Kaisers hatte, sprang sie doch sofort von dem Lager, und indem sie tat, als ob sie nichts von dem Betruge gemerkt hätte, sagte sie zu ihm: ›Kurz, ehe du dich zu mir legtest, habe ich, o Gebieter, ein großes und erschreckliches Gesicht gehabt, das zu offenbaren mir gegenwärtig verboten ist. Darum habe ich mir ernstlich vorgenommen, keusch zu leben. Dieses Ereignisses wegen bitte ich dich herzlich, mir nachzugeben und nicht mehr zu mir zu kommen, um bei mir zu liegen; wenn du mich aber nicht erhören willst, will ich mich eher selbst umbringen, als deinem Willen nachkommen!‹ Wiewohl diese Worte dem falschen Kaiser gar sehr mißfielen, fürchtete er dennoch, weil er das Weib über die Maßen liebhatte, es würde sich töten, wenn er sich nicht des Liegens bei ihr enthielte, und da ihm das Sprechen darüber auch verboten war, begnügte er sich einzig damit, sich darüber zu wundern und alles bei sich zu erwägen; nichtsdestoweniger versah er alle übrigen Geschäfte des Reiches, wie es einem wahren und gerechten Kaiser zukommt. Der aber, um auf ihn zurückzukommen, war in eine Hirschkuh verwandelt worden und wurde von allem möglichen Mißgeschick ereilt; er wurde von den männlichen Hirschen verfolgt und von andern wilden Tieren oft sehr gestoßen, und beschloß, um so vieles Unglückswillen zu fliehen und sich von allen Tieren fernzuhalten und allein zu wandern. So fand er eines Tages einen Papageien, der vor kurzem gestorben war, im Felde liegen, und da er glaubte, kein so mühseliges Leben mehr führen zu müssen, wenn er mit seinem Geiste in den Leichnam dieses Tieres schlüpfte, sprach er über ihm die Worte, die solche Wirkung hervorbrachten, und alsbald ließ er die Hirschkuh tot auf der Erde liegen und wurde Papagei; und während er sich zu vielen andern Papageien gesellte, ereignete es sich, daß er auf einen Vogelsteller aus seiner Hauptstadt stieß, der die Netze zum Vogelfangen aufgespannt hatte; und da er sich einredete, wenn er sich von ihm fangen ließe, könne er vielleicht seine frühere Gestalt wiedererlangen, begab er sich an einen Platz, wo er von dem Netze bedeckt werden mußte, und wurde dann auch auf diese Weise von dem Vogelfänger in Gemeinschaft mit vielen andern Vögeln und Papageien gefangen. Und als er

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