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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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vertrieben hatte, ließ ihn durch die, welche ihn bewachten, um eine Unterredung bitten; und während er sich vor ihm in der Gestalt des alten Weibes zeigte, ließ er alle andern hinausgehen, so daß sie beide allein blieben. Und er offenbarte ihm, daß er sein Sohn Rammo war, und legte die Gestalt ab, in der er vor ihm stand, kehrte in seine frühere Gestalt zurück und wurde von seinem Vater erkannt; und er erzählte ihm die Geschichte von Anfang an und erwähnte die Künste, die er von den drei Wanderern gelernt hatte, und erinnerte ihn an die falsche Anklage des treulosen Wesirs und der ruchlosen Sultanin. Dann verkündete er ihm die Strafen, die er oft dank der erlernten Künste über den schlechten Menschenverhängt hatte, und bat ihn gar herzlich, er möchte ihn und die ruchlose Sultanin aus dem Lande jagen und ihnen das Leben schenken, besonders, weil er die Wesirstochter zum Weibe genommen habe, die ihn inständigst gebeten habe, sie doch nicht durch den Tod ihres Vaters in ewige Betrübnis zu bringen. Nachdem Rammo also gesprochen hatte, konnte sich der Sultan der Freudentränen nicht erwehren und herzte ihn innig; und allem Rachegefühl zum Trotze, das er gegen den Wesir und die Sultanin auf dem Herzen hatte, überließ er alle Rache seinem Sohne. Der verjagte nun sogleich den treulosen Wesir und die schlechte Sultanin aus dem väterlichen Reiche und beraubte sie jeder Notdurft; und er feierte mit aller Pracht seine Hochzeit; und als nicht lange hernach der Tod zu seinem Vater trat, machte er ihn zum Herrn seines Staates; und er lebte ein langes und ruhiges und glückliches Leben!«
    Überaus gut gefiel Behram-Gur die von Rammo verfolgte Weise, sich an dem: treulosen Wesir und der schlechten Sultanin zu rächen, die ihn ihres eignen Vergehens beim Vater bezichtigt hatten und dafür so hart bestraft wurden. Und nachdem er sich über diese Freveltat ein wenig mit seinen Vornehmen unterhalten hatte, befahl er, daß folgenden Tages das ganze Gefolge nach dem fünften Palaste, der ganz in grünen Farben gehalten war, in gleichfarbener Kleidung kommen sollte. Als dem jeder nachgekommen war, gelangten sie hier alle zur dritten Stunde des Tages an.
    Und der Kaiser unterhielt sich eine gute Zeit gar lieblich mit der Jungfrau, die hier war, und labte sich an den köstlichsten Speisen; danach hieß er den fünften Geschichtenerzähler vor sich kommen, der um die Ursache, wegen derer gerufen wurde, wußte; und er begrüßte den Sultan ehrerbietigst und begann also:
    »Es lebte im Lande Choten ein berühmter und ausgezeichneter Weiser, der sich gar sehr auf mechanische Künste verstand, vor allem aber ein hervorragender Goldschmied war und jeden seiner Zeit überragte. Und außer vielen andern schönen Werken, die er beständig anfertigte, bildete er eines Tages eine silberne Bildsäule mit solcher Kunst, daß sie jedesmal, wenn vor ihr eine Lüge gesagt wurde, sogleich zu lachen anfing. Das kam nun dem Fürsten der Stadt zu Ohren, der ein Muselmann war, und er wollte sie sehen; und nachdem er die große Kunst, die sie bewirkte, gar sehr bewundert hatte, ließ er den Weisen um die Bildsäule bitten, indem er ihm eine große Summe Goldes dafür anbot. Der Weise aber, der des Geldes nicht achtete, schenkte sie ihm, um sich, was er sehr wünschte, bei seinem Fürsten beliebt zu machen. Dieses Bildes halber ließ der Fürst bei seinem Palaste ein großes und sehr schönes Serail bauen, das vier Flügel hatte; die Ecke des einen aber lag über einem Flusse, die des andern über dem Stalle, die des dritten über der Küche, und die des vierten über dem Keller des Fürsten; und er ließ dort vier sehr reiche Wohnungen herstellen. In diesem Serail nun ließ er das Bildnis auf einem Sockel aufrichten, und wenn er seiner Geschäfte ledig war, pflegte er hier oft zu lustwandeln. Während er sich mit seinen Vornehmen über verschiedene Dinge unterhielt, ließ er im Gespräch eine Lüge fallen und reizte die Säule zum Lachen; hierüber pflegte der Fürst große Freude zu haben. Dieser Fürst war nun ein Mann von seltener Weisheit und in mannigfaltigen Wissenschaften geübt. Und er hatte bei vielen Schriftstellern gelesen, welch boshaftes und treuloses Tier das Weib ist; so hatte er sichdenn schon in frühen Jahren vorgenommen, niemals ein Weib nehmen zu wollen. Solches schmerzte alle ihm unterworfenen Völker sehr, da sie einen Erben von ihm zu haben wünschten, der ihm in seinem Reiche nachfolgte, weil er ein tugendhafter Fürst

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