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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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immer beiwohnen. Zu diesem Gerichtstage des Gebieters gehe also und rede den Wesir, der bei dem Sultan in so hohem und ehrenvollem Ansehen steht, mit lauter Stimme an: Er sei dein Sklave und du seiest des Glückes ledig; er möge dich, der du sein Herr wärest, nicht vergessen, und er solle dir, wie es billig sei, zu deiner Notdurft einige Hilfe gewähren. Und wenn er dich nun verspottet und dich wegen solcher Worte wie einen Narren aus dem Gerichtstage vertreiben will, wende dich an den Sultan; und sollst also zu ihm sprechen: >O Gebieter, ich verlange mein Recht von dir und bitte dich, du wollest nicht dulden, daß mich dein Wesir, dessen Herr ich wahrlich bin, mit so bezeichnender Ungerechtigkeit behandelt und als Dank für die vielen Tugenden, die ich ihm zur Zeit, als ich ihn auf dem Marktplatze eingehandelt hatte, in seiner Jugend gelehrt habe und durch die er bei dir zu so hohem Ansehen gelangt ist, mich nunmehr, wo ich arm bin und ihn um eine Unterstützung angehe, so schmählich aus deiner Gegenwart verjagt. Und wenn du mir vielleicht nicht glauben willst, daß ich die Wahrheit erzähle, und daß er mein Sklave ist, so gebe ich dir dies als Zeichen an: als ich ihn kaufte und einen Muselmann aus ihm machte, habe ich ihn mit meinem Stempel auf den Hinterbacken gestempelt, und wenn es sich anders verhält, bin ich es zufrieden, jedes harten Todes, den du über mich verhängen magst, zu sterben. >Wenn der Wesir<, sagte Rammo zu dem guten Manne, >die Worte hört, die ich gesagt habe, wird er glauben, daß du die Wahrheit sprichst, denn ich habe mit eignen Händenseine Hinterbacken, als er und ich allein in seinem Gemache waren, vor etlichen Tagen gestempelt. Um der Schmach nun zu entgehen, dem Richter seine Hinterbacken zeigen zu müssen, wird er dich beiseite rufen und, auf daß du nicht weitergehst und ihm noch mehr Schmach antust, dich reichlich beschenkt fortschicken, dessen versichere ich dich!‹ Da wurde der gute Alte über die Maßen zufrieden und froh, zeigte sich am Tage des Empfanges vor dem Richterstuhle des Sultans und setzte alles, was ihm von dem alten Weibe beigebracht war, genau ins Werk. Der Wesir wurde aber vor Scham rot und rief den Alten beiseite, und auf daß er nicht weiter redete, schickte er ihn mit einer großen Summe Geldes von sich. Doch auch diese Schmach hatte er nicht lange hernach wieder vergessen, und er setzte seine verliebten Unternehmungen mit der Sultanin, in die er über die Maßen hitzig verliebt war, fort. Als Rammo dies von neuem merkte, konnte er des Wesirs Unverschämtheit nicht länger dulden und beschloß, dem Sultan alles zu offenbaren. Und die Gestalt eines alten Weibes annehmend, ließ er am folgenden Morgen zeitig den Sultan um einen geheimen Empfang bitten und zeigte sich vor ihm und sprach: ›O Gebieter, da ich als deine gute Untertanin glaube, um deine Ehre nicht weniger Sorge als um meine tragen zu müssen, habe ich beschlossen, da ich einen großen Verrat entdeckt habe, den ich zu often Malen deinen Wesir an dir verüben sah, dir alles sogleich zu offenbaren, auf daß du dich von deinem schlechten und ruchlosen Diener befreien kannst. Wisse denn, daß zur Stunde die Sultanin, deine Gemahlin, zu Seiten deines treulosen Wesirs auf dem Lager liegt und mit ihm verliebte Spiele treibt. Und wiewohl ich solches zu often Malen gesehen habe, habe ich doch niemals glauben können, daß dasschlechte Weib, das ich mit dem Wesir sah, die Sultanin war, bis ich mich zu dieser Stunde davon überzeugte. Nun wagte ich es nicht, dir solche Missetat länger zu verbergen. Auf daß du nun nicht glaubst, ich erzähle dir eine Lüge, so komm mit mir, und du sollst alles, was ich dir erzählte, mit deinen eignen Augen sehen!' Da ging der Sultan mit Rammo und wurde von ihm in ein Gemach des Palastes geführt, wo in einem Kämmerchen auf einem schönen Lager der ruchlose Wesir mit dem schlechten Weibe in enger Umarmung aufgefunden wurde. Als dies der Sultan sah, wurde er heftig von Zorn und Wut ergriffen und beschloß, diese Missetat streng zu ahnden. Doch da er gar sehr fürchtete, die Alte möchte es jemand anderem erzählen, bat er sie herzlich, so lange bei ihm zu bleiben, bis er den Wesir und sein Weib eines grausamen Todes habe sterben lassen; und er gab Auftrag, daß die Alte in einem seinem Gemach benachbarten Raum bewacht würde. Aber Rammo, dem es nun an der Zeit zu sein schien, seinem Vater seinen Irrtum zu entdecken, sintemal er ihn so ungerechterweise aus seinem Reiche

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