Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
durch die Türe, die er offen fand, nach dem Stalle, wo er die Jungfrau heftig schreien hörte. Er verbarg sich in einem Winkel und sah, wie sie der Stallsklave mit Fäusten und Füßen tüchtig bearbeitete, weil sie ihn hatte warten lassen. Sie weinte bitterlich und entschuldigte sich, daß sie des Herrn wegen, der diese Nacht bei ihr geschlafen hätte, nicht eher habe kommen können, und sagte, sobald er eingeschlafen sei, wäre sie aufgestanden und in aller Eile hierhergekommen, und bat ihn gar flehentlich, er möchte mit Schlagen aufhören. Als er dies hörte, wurde der Fürst von unsäglichem Zorn ergriffen und konnte sich kaum bezwingen, daß er nicht beide tötete; doch er gedachte seiner Würde und wollte seine Rache an dem schlechten Weibe für eine andere Zeit aufsparen und sprach bei sich selbst: »O verruchtes Weibsstück, wie kannst du so harte Schläge aushalten, wenn dein Gesicht so zart ist, daß du vor meinen Augen, von einem Rosenblatt getroffen, ohnmächtig wirst?« Und er sagte sich, daß die große Kunst des Bildes nicht täuschte. Dann ging er von da fort und legte sich wieder aufs Lager; und um auch der anderen Schlechtigkeit sehen zu können, sprach er hierüber mit niemandem. Am folgenden Tage zur gewöhnlichen Stunde ging er zu der Jungfrau, der das Gemach über der Küche angewiesen war, unterhielt sich mit ihr bis in die späte Nacht mit mancherlei Gesprächen, und als das Mahl zubereitet war, setzten sie sich allein zu Tisch und vertrieben sich hier ein gut Stück Zeit mit ergötzlichen Gesprächen. Als er die Tafel aufhob, gab der Fürst vor, einzuschlafen; als er so einen Zeitraum von zwei Stunden verharrte, glaubte die Jungfrau, daß er wahrhaftigeingeschlafen wäre. Sie stand auf, öffnete die Tür des Gemaches und ging in die Küche; der Fürst jedoch, der durchaus nicht schlief, sondern auf alles achtete, folgte ihr ganz sachte und sah, wie die Jungfrau, sobald sie die Küche betreten hatte, innig von dem Koche geküßt wurde, der sie bei der Hand nahm und auf einen Haufen Dornbüsche legte und verliebte Spiele mit ihr trieb. Hierüber war er sehr verwundert, daß diese, der das Hermelingewand, das ihre Brüste leicht berührt hatte, so große Belästigung bereitete, daß sie beinahe eine Ohnmacht bekam, nichts spürte, als sie auf einem Dornenhaufen lag. Da sprach er: ›Die da ist wahrlich ebenso schlecht und verrucht wie die andere; und nun sehe ich, welch wahres Urteil das Bild auch über sie gefällt hat!‹
Nichtsdestoweniger überging er alles mit Schweigen und legte sich wieder nieder und erwartete mit brennender Neugier die folgende Nacht, um auch die dritte prüfen zu können. Nun stand er des Morgens beizeiten auf und hatte bis zur Stunde der Vesper keinen andern Gedanken, als wie er die ruchlosen Weiber bestrafen könnte. Er ließ jetzt die dritte, die in dem Gemäche über dem Flusse wohnte, vor sein Antlitz kommen, und wiewohl er von ihr nichts Besseres, als er bei den anderen gesehen hatte, erwartete, so begann er sie doch zu liebkosen und unterhielt sich bis zur Nacht mit ihr in ergötzlichen Gesprächen; nachdem die Tafel hergerichtet war, setzten sie sich zum Mahle. Sie hörten einige sehr schöne Musikstücke an und gingen dann schlafen; der Fürst lag nicht gar lange bei ihr, weil er sich sehnlichst auch über ihre Schlechtigkeit zu überzeugen wünschte; und sagte zu der Jungfrau, er wäre müde, und heuchelte, ruhen zu wollen. Als er sie leicht davon überzeugt hatte und sie nun glaubte,er wäre in Wahrheit eingeschlafen, erhob sie sich nach der Weise der anderen leise von seiner Seite, öffnete ganz sacht den Ausgang, trat aus dem Gemache und ging eine Treppe, die nach dem Flusse führte, hinunter. Dort angekommen, entkleidete sie sich und legte die Gewänder auf ihren Kopf, nahm ein großes Tongefäß, das leer dastand, legte es unter die Arme, um nicht zu ertrinken, und schwamm nach der andern Flußseite. Dort wurde sie von einem Landmann in Empfang genommen, der sie gar innig umfaßte, und sie lagen auf dem Flußdamme beieinander und ergötzten sich ein gut Stück Zeit in verliebter Weise. Diese Handlung hatte der Fürst ganz deutlich gesehen, da auch er das Bett verlassen hatte und ihr heimlich an den Fluß gefolgt war; und er fand, daß sie ebenso schlecht wie die andern war, hatte sie doch geheuchelt, eines kleinen Schiffchens halber, das sie auf dem See infolge des Windes hatte untergehen sehen, ohnmächtig zu werden, und sich auch das Gesicht
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