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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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Fröhlichkeit und die Anmut, mit der sie diesen Vorschlag begleitete, hatten in ihren Gemütern die höchsten Erwartungen hervorgezaubert. Als Fatme nichts am Reden hinderte, nahm sie also das Wort:

Die Geschichte von Naerdan und Güzülbec
    Hüssendschar, ein reicher Edelsteinhändler, wohnte in Erserum; er war schon in einem vorgerückten Alter und hatte von allen seinen Sklavinnen und seinen Frauen mit des Himmels Güte nur eine Tochter bekommen. Wenn die ihn nicht befriedigen konnte, mit Bezug auf seinen Handel, so machte sie ihn glücklich durch die Schönheit, mit der die Natur ihre Gestalt geschmückt und auch gleichzeitig ihren Verstand für alle Talente empfänglich gemacht hatte. Sie war erst sechs Jahre alt, als Ali, Tirmir zubenannt, der immer ein Freund Hüssendschars gewesen war, aus dem Leben schied, ohne seinem einzigen Sohne ein Vermögen zu hinterlassen, obwohl er stets im Rufe gestanden hatte, reich zu sein. Als er in Hüssendschars Armen seine letzten Seufzer ausstieß, empfahl er ihm diesen Sohn, den einzigen Gegenstand seiner Klagen. Der wahrhafte Freund nahm ihn mit Freuden zu sich; solches geschah anfangs nur in der Absicht, der Freundschaft Genüge zu leisten, aber Naerdan, so hieß der Sohn Timur Alis, verdiente sie bald selbst; denn er war freundlicher Gemütsart, und seine Klugheit war seinem Alter überlegen; Dankbarkeit war das erste Gefühl seines Herzens. Hüssendschar wünschte sich Glück zu dem Vermächtnisse, das ihm sein Freund gemacht hatte, und teilte seine Zärtlichkeit zwischen Naerdan und seiner einzigen Tochter Güzülbec. Sie wurden zusammen aufgezogen; ihre Kindheit, die sie durch die gemeinsamen Freuden verband, die Freiheit, immer zusammen zu sein, die sie hatten, oder hauptsächlich Güzülbecs aufblühende Reize und das Verdienst Naerdans befestigte in ihren Herzen eine Neigung, die nichts zerstören konnte, Hüssendschar merkte darum; aber fern davon, ihren Gefühlen ein Hindernis in den Weg zu legen, schien er sie im Gegenteil zu billigen. Der Himmel, der ihm einen Sohn versagt hatte, gab ihm den im Sohne seines Freundes, der sich mit jedem Tage würdiger bezeigte; und Hüssendschar hatte die Freude, einen Schüler nach seines Herzens Wunsch zu haben.
    Als Naerdan, der zufällig wenige Jahre älter war als Güzülbec, ein Alter von zwölf Jahren erreicht hatte, erlaubte man ihm nicht mehr, sie zu sehen; sie wurde in das Frauengemach eingeschlossen und Naerdan denen anvertraut, die ihm nach Hüssendschars Vorsätzen, die er über sein Weiterkommen gefaßt hatte, eine dazu geeignete Erziehung geben sollten. Solch eine Trennung war ihm überaus schmerzlich, doch war sie es nicht minder für Güzülbec, die, mehr ihren Gedanken überlassen als er, sich nur noch mit einer Liebe beschäftigte, deren ganze Gewalt sich nach der Entfernung des geliebten Gegenstandes kundtat. Die wuchs mehr und mehr in der Einsamkeit, und da sie ihrem Geliebten nicht zu schreiben wagte, wußte sie sich keines andern Rats, ihn in ihrem Herzen lesen zu lassen, als die Salams, die sie ihm durch eine Sklavin schickte, die ihre Geheimsprache nicht kannte. Das erste, was sie ihm so zukommen ließ, war ein kleines Bündel Ingwer – welches besagt: Mein Herz brennt nur für dich –, dies war zweifelsohne ein großes Entgegenkommen; doch eine so lebhafte Neigung, wie die ihre, ließ sich nicht bescheiden; sie zitterte in Erwartung der Antwort und fürchtete, nicht mehr geliebt zu sein. Wie groß war ihre Freude, als man ihr von Seiten Naerdans ein kleines Stückchen blaues Leinen brachte – welches besagt: Ich bin immer in dich verliebt. Dieses Zeichen drückte wahrlich kein so zartes Gefühl aus, wie sie es gewünscht haben mochte; aber schließlich war sie nicht vergessen, man liebte sie noch; der Reiz dieses Gedankens aber hielt nur kurze Zeit an. Er machte um so vieles lebhafteren Wünschen und Verlangen Platz, von denen sie nicht hoffen konnte, daß Naerdan sie teilte.‹
    Diese betonten letzten Worte richtete Fatme an Abukazir und begleitete sie mit den zärtlichsten Blicken: ›Ich muß gestehen,‹ sagte sie, selbst ihre Erzählung unterbrechend, indem sie für einen Augenblick ihre schönen Augen auf den König von Kaschmir heftete und sie dann wieder unmerklich zu dem aufmerksamen Abukazir hinübergleiten ließ; ›ich muß gestehen,‹ fuhr sie fort, daß die unglückliche Güzülbec zu beklagen ist, eingeschlossen in einem von ihrem Geliebten allzu geachteten Serail, zählte sie die

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