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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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Augenblicke ihrer Jugend und Schönheit. ›Welche Vorzüge,‹ sagte sie sich, ›welche Schätze werden fruchtlos vertan. Mit welcher Erwiderung müßte meine Zärtlichkeit nicht bezahlt werden! Ach! Wieviel Zweige hätte wohl der Keim unserer Liebe, durch meine Sorgfalt gepflegt, getrieben, die sich unter der Last der köstlichsten Früchte beugen würden? Aber nein, der, den ich anbete, liebt mich nicht, denn eine nichtige Ehrfurcht ...‹ Ich will dir nicht die Vermutungen aufzählen, o Herr,‹ fuhr Fatme fort, ›die den Klagen der trostlosen Güzülbec folgten; ich habe dir ihre Geschichte versprochen und nehme sie wieder auf.
    Als Naerdan ein Alter von fünfzehn Jahren erreicht hatte, kannte er die Vorteile des Handels so weit und bediente sich der Lehren, die er empfangen hatte, so gut, daß die Erkenntlichkeit, die er Hüssendschar bewies, im Verein mit seiner natürlichen Begabung ihn ganz besonders auf dessen Geschäft achtgeben ließen; sein guter Herr vertraute es ihm während des Verlaufs mehrerer Reisen an, die er nach Indien zu machen hatte. Es gedieh unter seiner Hand, und der Verkauf der Waren, die er ihm in seinem Laden in Erserum gelassen hatte, warf für Hüssendschar noch mehr Gewinst ab als seine Reisen. Währenddessen hatte Naerdan in einer Empfindlichkeit und Treue, wie sie bei einem liebenden Herzen selten zu finden sind, den Verkehr, den er mit Güzülbec gehabt hatte, gelöst; seine Liebe war nicht erloschen, aber sie legte ihm Schweigen auf, und er opferte alle ihre Äußerungen der Redlichkeit. Und wagte nicht mehr, daran zu denken, seines Herrn Tochter zu heiraten, dem der Himmel gegen jede Erwartung endlich einen Sohn gewährt hatte. Dieser Edelmut‹, fuhr Fatme fort, ›konnte Güzülbecs Empfindungen keineswegs verringern und diente nur dazu, sie anzufachen. Inmitten der Freuden, die ihm die unerwartete Geburt eines Sohnes verursachten, konnte Hüssendschar Naerdan nicht genug loben und sagte öffentlich, daß der Erbe, mit dem die Natur seine Wünsche befriedigt hätte, einzig imstande gewesen wäre, die Pläne, die er zu Naerdans Gunsten gehabt hätte, umzustoßen, und fügte hinzu, daß seine Tugend, seine Geradheit und seine reiche Begabung ihn sicherlich bestimmt hätten, ihm seine Tochter und seine ganze Habe zu geben; doch hoffe er, seiner Freunde einen dadurch zu beglücken, daß er ihm einen solchen Schwiegersohn zuführe.
    Diese Lobreden bestimmten Kara Mehemmet, den Stiefbruder Hüssendschars, von ihm Naerdan für seine Tochter zu erbitten; und er gedachte selbst den Bund zu schließen, sobald er von einer Reise nach Indien zurück sein würde, die ihn mindestens acht bis neun Monate in Anspruch nehmen mußte. Da er Juwelenhändler von Beruf war, willigte Naerdan, nicht aus einem Wunsche nach Reichtum und Geschäft, sondern mehr, um sich von einer Liebe zu heilen, die er nur noch als eine Undankbarkeit empfinden konnte, in diesen Vorschlag ein.
    Solche Nachrichten kamen Güzülbec zu Ohren; sie versetzten ihr Herz in schwärzeste Trauer, vergebens schickte sie ihrem Geliebten einen Apfel – welches besagt: Entferne dich nicht von mir, o Frühling meines Lebens! –, ein Stück rotfarbenen Stoffs – welches besagt: Nimm mir doch das Leben –, eine Olive – welches besagt: Ich will dich lieber tot als unbeständig sehen –, und eine Holzkohle –welches besagt: Ach nein, möchte ich doch sterben und du lange leben! Diese süßen Zeichen des Übermaßes ihres Schmerzes und ihrer Eifersucht vermochten den grausamen Plan des allzu tugendhaften Naerdan nicht umzustoßen.'
    Hier konnte es Fatme, indem sie sich noch einmal unterbrach, nicht über sich bringen, einen Gedanken auszusprechen, dessen Sinn nur ganz harmlos für den König von Kaschmir sein konnte, für Abukazir jedoch einen bitteren Vorwurf enthielt. ›Man kann,‹ sagte sie, ›ich gebe es zu, sich selbst den Gefühlen einer wahren Dankbarkeit aufopfern; aber gestattet uns die Tugend keine anderen Opfer? Man ist entzückt, in dem Herzen, das man liebt, die Grundsätze der Tugend zu finden, aber sie arten in Barbarei aus, wenn man sie zu weit treibt! Ach, wie kann man sich entschließen, das, was man liebt, zu opfern ? Denn schließlich konnte Naerdan doch nicht wissen, ob Güzülbec ihr Unglück überleben würde; doch der gerechte Himmel, der Himmel war weniger streng als er und billigte ihr Verderben nicht. Die zärtliche Liebende wußte in ihrer Verzweiflung nicht, an wen sie sich in ihrem Unglück wenden

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