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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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sich vor Schmerz, seinen unwürdigen Nebenbuhler umbringen, und unter dem Vorwande, daß sie dem Dalai-Lama gefiele, machte er sich kein Gewissen daraus, sie selbst zu entführen. Und du mußt wissen, o Gebieter, daß hier im Lande schon allein vor dem Namen dieses Mannes, den man wie einen Gott verehrt, alles zittert; doch hatte der Lama keinen großen Nutzen von seiner Grausamkeit und Ungerechtigkeit; denn nachdem sie ihm dann versprochen hatte, sich seinen verliebten Nachstellungen zu ergeben, erhielt sie ein wenig mehr Freiheit; da stürzte sie sich nun von der Höhe eines Felsens herab, den man von hier erblickt und noch heute im Lande als Denkmal der Beständigkeit und Entschlossenheit zeigt, derer die Tatarentöchter fähig sind! Nicht weil ich ähnlich voreingenommen bin,‹ fuhr Damake fort, ›weigere ich mich, dem Anerbieten deiner Erhabenheit Folge zu leisten; mein Herz ist frei bis auf diesen Tag, lerne es ganz kennen, o Gebieter, bis auf seinen tiefsten Grund. Es ist treu und verdient vielleicht die Güte, mit der du mich zu beehren würdigst; jedoch haben dich nur meine nichtigen äußeren Reize bestochen; aber ein Weib, das gar keine anderen Verdienste aufzuweisen hat, ist meiner Ansicht nach recht wenig wert.‹
    ›Vielleicht‹, sprach Nurdschehan darauf, ›ist die Verschiedenheit der Religionen meinem Glücke im Wege!‹
    ›Nein, o Herr, ich bin Mohammedanerin‹, erwiderte Damake; ›glaubst du, daß ich meinem Verstande die Begriffe aufzwingen könnte, die man uns von dem Dalai-Lama gibt? Kann man glauben, daß ein Mensch unsterblich sei? Die Kunstgriffe, derer man sich bedient, um uns solches einzureden, sind zu plump; mit einem Worte, sie sind zu durchsichtig, als daß ich zwischen den von Priestern genährten Grundgedanken schwanken könnte und denen, welche die Göttlichkeit des durch seinen großen Freund verkündigten Gottes geben kann und muß. Im übrigen‹, sprach sie weiter, ›kenne ich auch die Gefahr, die mir mit deiner Zuneigung droht. Die Zeit läßt die Nachtigall, den liebenswürdigsten der Vögel, klagen, und läßt die Rose, diese anmutige Blume, sich inmitten der Dornen entfalten, läßt den Mond nächtens leuchten und sein Licht bleich werden, wenn der Tag heraufsteigt; die Nacht läßt die Sonne, die Königin, des Mondes, unsichtbar werden, und nachdem das Schicksal einen Menschen bis zum Königtum erhoben hat, erniedrigt es ihn bis zur Armut. Trotz aller dieser Erwägungen – ich will es nur gestehen, o Gebieter – schmeichelt es mir, einem Manne zu gefallen, dessen Tugend ich höher achte denn seine Stellung; jedoch möchte ich ihm durch andere Eigenschaften gefallen und wünschte seiner durch so bedeutende Dienste wert zu sein, daß eine so ungleiche Heirat, anstatt ihn Vorwürfen auszusetzen, nur dazu diente, seine Wahl billigen zu lassen. Urteile, o Gebieter,‹ fuhr sie fort, ›ob man sich nach einem so überzeugenden Beispiele, wie ich dir verkündet habe – und das ich lobe –, und dem Unwillen, den eine solche Wahl erregen muß, zum Trotz, sich durch Anerbieten bestechen oder durch Gewalt unterwerfen lassen kann!‹ Nurdschehan war entzückt, soviel Geist und Gefühl in einem Wesen zu finden, das eine reizvolle Gestalt liebenswert machte, und bewunderte seine Tugend, gab ihm sein königliches Wort, es, niemals zu zwingen, und wollte sich nicht mehr von ihm trennen. Und er schickte der schönen Damake, die ihm mit ihrer ganzen Verwandtschaft folgte, Sklaven und Kamele. Niemals würde sie diesen Schritt unternommen haben, wenn sie genötigt gewesen wäre, ihre Eltern zu verlassen, an denen sie hing und deren Gegenwart verhüten konnte, daß sich das Geringste gegen ihren Ruf sagen ließ. Der König aber sah sie alle Tage und konnte keinen Augenblick verbringen ohne den Wunsch, sie zu sehen, und ohne sie sehend zu bewundern. Indessen drang das Gerede des Volkes und des Hofes Damake zu Ohren; und sie wußte, daß man ihr bitter unrecht tat. Um diesem Übelstande abzuhelfen, beschloß sie, solche Reden zunichte zu machen und die Gemüter für sich einzunehmen. Zu dem Zwecke beschwor sie Nurdschehan, die Weisen seines Königreiches zusammenzurufen, auf daß sie ihnen auf ihre Fragen antworten und ihrerseits selbst vielleicht einige an sie stellen könnte. Nurdschehan fürchtete, daß ein so junges Wesen wie Damake sich sehr leicht der Gefahr aussetzen und mit Schimpf aus einem solchen Wettstreite hervorgehen könnte, und machte lebhafte Einwände, um ihr diese

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