Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Königreichen Asiens vorfielen, genau zu erfahren, eine große Karawanenherberge bauen lassen, die man wahrlich mit einem stolzen Palaste vergleichen konnte. Dort nahm er die Fremden auf. Der gütige Fürst ließ sie von seiner eigenen Tafel speisen; sie hatten Sklaven beiderlei Geschlechts, die nur dazu bestimmt waren, ihren Wünschen und Bedürfnissen zuvorzukommen. Daher kamen die Fremden aus allen Teilen der Welt in seine Hauptstadt, ohne eine andere Verpflichtung zu haben, als den König mit ihren eigenen Abenteuern zu unterhalten oder mit denen, die sie erfahren hatten.
Also wickelte sich der Goldfaden seiner königlichen Tage ruhig ab, und er regierte glücklich in einer Welt, in der alles vergänglich ist. Endlich aber wurde es das Schicksal müde, ihm, der es wahrlich verdiente, günstig zu sein, und vernachlässigte ihn.
Sein Seelenfrieden, die Ruhe, die das Bewußtsein seiner guten Handlungen über sein ganzes Wesen verbreitete, sein liebenswürdiger Frohsinn, ohne den man ihn niemals gesehen hatte, verloren sich; ein Aufgeregtsein, das nichts dämpfen konnte, eine tiefe Rastlosigkeit und ständige Befangenheit folgten der liebenswürdigsten Gemütsart; seine Augen verloren ihren Glanz, Blässe lag auf seinen Zügen; bald glich er einer schönen Rose, die der Morgen zum Schmucke eines Gartens macht, die Rauheit der Luft aber im Augenblicke, da sie sich entfaltet hat, hinwelken und vergehen läßt; schließlich sahen alle seine Hofleute ein, daß sie trotz seiner großen Jugend bei der Störung seiner Gesundheit und seines Gemüts bald so unglücklich sein würden, auf seinem Grabmal zu weinen: als eine unvorhergesehene Flucht ihn ganz plötzlich den Blicken seiner Untertanen entzog. Die Großen seines Königreiches unterließen nichts, um sein Schicksal zu erfahren, und kamen überein, einen Rat zu erwählen, der während seiner Abwesenheit herrschen sollte; diese währte bereits zwölf Monde, als man ihn in einem Augenblicke wieder auftauchen sah, in dem man ihn am wenigsten erwartete. Er war schwarz gekleidet, seine Traurigkeit kannte keine Grenzen, kein Mensch konnte ihn aufrichten. Und seine Unempfindlichkeit hatte nicht ihresgleichen.
Die Großen seines Königreichs und die Wesire traten vor ihn, um seine Befehle entgegenzunehmen, aber er wollte ihnen keine geben. Seine Gleichgültigkeit war derart, daß ihn auch die ungewöhnliche Anhänglichkeit seiner Untertanen, von der sie ihm sehr viele Proben gaben, nicht zu rühren vermochte. Indessen war er doch so beliebt, daß der Rat keinen andern König erwählen wollte und beschloß, zehn Jahre zu warten, ob der Fürst seine Spannkraft, sein liebenswürdiges Gemüt, endlich, alle die Eigenschaften, die ihn anbetenswert gemacht hatten, wiederfände. Und wie sehr man ihn auch bat, um ihn zu bestimmen, in seiner Hauptstadt zu verweilen, man konnte ihn nicht von der Absicht, sich aus ihr zu entfernen, abbringen. Denn als er sah, daß es ihm unmöglich war, seine Abdankung durchzusetzen, zog er sich in ein kleines Haus zurück, das in einem einsamen Gebirge stand; hier nun wollte er sein Leben beendigen und war dort ohne jede andere Begleitung als die einer seiner Schwestern, die Zahide hieß. Die Prinzessin liebte ihn seit ihrer zartesten Kindheit in innigster Freundschaft; ihre Schönheit und Jugend und ihr Verstand waren noch unschätzbarer als ihre Frömmigkeit und ihre Vorliebe für den heiligen Koran, den sie vollständig auswendig wußte.
Man kannte die Ursache des königlichen Kummers nicht; beständig hatte sich der König geweigert, denen darüber Auskunft zu geben, die es gewagt hatten, ihn darum zu fragen. Nachdem er nun einige Zeit in seiner Zurückgezogenheit gelebt hatte, wurde er gefährlich krank, ohne anders bedient und gepflegt sein zu wollen, wie von der Sorgfalt seiner lieben Zahide, die ihre Gebete verdoppelte, um die Heilung eines Bruders zu erflehen, den sie einzig liebhatte. Ihre Zuneigung ließ sie sehr wohl die Nutzlosigkeit aller Heilmittel einsehen; und als sie den verhängnisvollen Augenblick nahen sah, in dem sich seine Augenlider schließen mußten, trat sie an sein Bett und beschwor ihn bei dem Gefühle, das er für sie hegte, ihr die Ursache seiner Traurigkeit anzuvertrauen. ›O Fürst, welches Unglück hat dich zu Boden geworfen,‹ sprach sie zu ihm, ›warum willst du mir nicht den Grund deines Kummers sagen? Die Schmerzen, die du empfindest, erleidet mein Herz hundertfältig; geruhe etwas Vertrauen zu mir zu haben,
Weitere Kostenlose Bücher