Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
vielleicht finde ich Heilung für deine Übel. Wer weiß denn, ob nicht der große Prophet, meines Schmerzes wegen gerührt, mir das Mittel für deine Heilung eingibt?‹
Der König aber antwortete ihr, tiefe Seufzer ausstoßend: ›Meine Geschichte ist länger als die Feredbaads und trauriger als die Wamakweasras. Indessen will ich deiner Bitte gern genugtun, der Sorge wegen, so du meinetwegen hegst, und um der Freundschaft willen, die du mir immer bewiesen hast. Und ich will dich also um den Grund meiner Traurigkeit wissen lassen; du weißt wohl, wie ich in einem Augenblicke aus der Freude in Traurigkeit verfallen bin, und wie endlich mein Herz die schrecklichen Streiche des Schmerzensschwertes erlitten hat. Alles, was ich dir sagen kann, wird dir niemals auch nur einen kleinen Begriff meiner Abenteuer geben, denn es gibt der Worte nicht genug, um das auszudrücken, was ich gesehen habe; doch wenn du es willst, erzähle ich es dir.
Du weißt, daß ich in den glücklichen Zeiten meines Lebens einen Teil der Tage mit den Fremden verbrachte, die mir entweder ihre eignen Erlebnisse erzählten oder die, so sie von anderer Seite erfahren hatten. Unter der Zahl der Reisenden, die unaufhörlich meine Karawanenherberge füllten, fand ich eine Art Derwisch, der in Schwarz gekleidet war. Trotz seiner dunklen Gewandung war seine Person ebenso einnehmend, wie seine Unterhaltung angenehm war; sie schien mir gar, mit einem unserer Dichter zu reden, wie ein Meer von Zauber, in das ich mich voller Freude untertauchte. Und sie war ein Rosengarten, der einen Duft von Freundschaft aushauchte, von dem mein Herz entzückt wurde. Kurz, ich war von den Geschichten begeistert, die er mir erzählte, so sehr war ihm die Kunst des Erzählens verliehen; doch immer weigerte er sich, mich wissen zu lassen, aus welchem Grunde er stets in die tiefste Träumerei versunken war und weshalb er so schweren Kummer trug. Ich unterließ nichts, um ihn durch Geschenke dazu zu bewegen, gab ihm köstliche Gewänder, Gürtel aus Diamanten, Börsen voll Gold und Silber, mit einem Worte, ich brachte alles in Anwendung, das ihn meiner Meinung nach bestimmen konnte, mich zufriedenzustellen; meine Hartnäckigkeit und Zudringlichkeit rührten ihn mehr noch als meine Geschenke. ,Du willst also,' sprach er endlich in verdoppeltem Schmerze zu mir, ,du willst also wissen, was mir zugestoßen ist? Ich würde dir lieber die Geschichte des Vogels Anka erzählen, als dich um mein Unglück wissen lassen, und du wirst wohl bald wünschen, daß solche Abenteuer für immer vergessen wären, und hüte dich vor allen Dingen, dich selbst von ihnen überzeugen zu wollen. Ich setzte mein inständiges Bitten fort, verdoppelte mein Schmeicheln, und hier ist, was er mir erzählte:
›Die Stadt Medhuchan liegt im Königreiche China; beinahe alle, die sie bewohnen, sind berühmt wegen ihrer Traurigkeit und legen niemals die Trauerfarbe ab; alle Fremden aber, die ihr Unglück oder die größte Kühnheit nach dieser Stadt führt, finden schwer ein Mittel, eine Verbindung anzuknüpfen. Doch schließlich kann man sich nur in dieser Stadt über das Unglück, das mir begegnet ist, unterrichten, nur dort kann man die berechtigte Ursache meiner Schmerzen und der Leidenschaft finden, von welcher mein Herz zerrissen ist, und sich von der Wahrheit meines Zustandes überzeugen, den alle Erzählungen nicht zu schildern vermögen!‹ Solche Worte beendend, grüßte mich der Derwisch, nahm alle Geschenke, die ich ihm gemacht hatte, und ließ mich, von der lebhaftesten Neugier geplagt, zurück.
Das Geheimnisvolle dieser Geschichte und die wenigen Einzelheiten, mit denen sie begleitet war, dienten nur dazu, mein Verlangen zu verdoppeln, solch merkwürdige Dinge zu erfahren und kennenzulernen. Mich beschäftigte daher nur die Lust, einen so außerordentlichen Vorgang von mir selbst aus beurteilen zu können; und das Verlangen, das der Quell meiner Sinnesänderung wurde, wuchs so mächtig an, daß ich mich einer Reise nach Medhuchan nicht entschlagen konnte. Ich raffte mehrere Kostbarkeiten zusammen, reiste unter Verkleidung ab und nahm mit einer beispiellosen Genugtuung den Weg nach China und legte einen unglaublichen Eifer an den Tag. Die Mühe, die ich mir gegeben hatte, von niemandem erkannt zu werden, machte sich vollkommen bezahlt. Endlich kam ich im Königreiche China an, wohin mich die brennendste Neugier mit schier unbegreiflicher Gewalt trieb. Der Anblick dieses neuen Landes entzückte mich,
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