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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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da es meine Neugier befriedigen mußte; es währte nicht lange, bis ich eine stattliche Karawane fand, der ich mich anschloß; sie führte mich inmitten dieses großen Kaiserreichs, und ich verließ sie, um meinem Wege nach der Stadt Medhuchan nachzugehen, wo ich ankam, nachdem ich mit Freuden alle Ermüdungen einer langen und beschwerlichen Reise erduldet hatte.
    Tatsächlich waren beinahe alle Leute der Stadt schwarz gekleidet, wie es der Derwisch mir versichert hatte, und überall herrschte tiefste Traurigkeit, nirgends wurde man aufgenommen, man lenkte keine Aufmerksamkeit auf sich, und alle, die Kummer trugen, gingen, um ihren Geschäften obzuliegen, mit niedergeschlagenen Augen, das Haupt mit ihrer Mütze bedeckt und sozusagen in ihren Kleidern versunken einher. Ich war daher genötigt, mehrere Tage in der Karawanenherberge, in der ich abgestiegen war, zu verbringen, ohne jede andere Beschäftigung, als beständig in der Stadt umherzugehen und jemanden zu suchen, der mir auf meine Fragen Bescheid geben wollte. Ich hatte alle möglichen Mittel angewandt, um mit denen, die ich schwarz gekleidet sah, eine Unterhaltung anzuknüpfen, aber sie hörten nicht auf mich; man antwortete mir nur mit einem Seufzer. Mit Recht sagte ich mir nun selbst, daß ich einen Menschen, der keinen Kummer hätte, wohl eher veranlassen könnte, mir zu antworten. Also machte ich nach Verlauf einiger Tage Bekanntschaft mit einem jungen Kaufmann; er war freundlich und Fremden gegenüber sehr höflich, und sang erstaunlich schön und spielte ebensogut einige Musikgeräte; sein Gesicht aber war strahlender denn die Sonne. Er war so entzückt von meiner Unterhaltung, daß er mich, nachdem er mir sehr viele Artigkeiten erwiesen hatte, durchaus in sein Haus führen wollte. Ich nahm sein Anerbieten an, und als ich den ersten Tag bei ihm wohnte, gab er ein großes Mahl, bei dem mir mit ebensoviel Geschmack wie Üppigkeit aufgewartet wurde. In kurzer Zeit wurde ich sein Freund und Vertrauter. Und als ich sah, wie er immer den Fragen auswich, die ich an ihn in meiner Neugier über die Trauer und den Kummer, die ich auf der Stadt lasten sah, stellte, umfaßte ich eines Tages seine Knie und bat ihn bei der Gastfreundschaft, die er mir mit soviel Freigebigkeit gewährte, mich darum wissen zu lassen und nicht den Zweck einer so beschwerlichen Reise zu vereiteln, die ich nur in dieser Absicht unternommen hätte. Der junge Mann hörte mich voll Kummer an und antwortete mir im Tone der Freundschaft und Anteilnahme: ›O mein Bruder, bestehe nicht darauf, über etwas aufgeklärt zu werden, das dir nur unendliche Not bereiten kann; folge meinem Beispiel, ich habe solches niemals selbst kennenlernen wollen; der Zustand, in dem ich die gesehen habe, die dieses Abenteuer wagten, ihre verlorene Fröhlichkeit und Freude haben mich auf ihre Kosten klug gemacht. Sei es auch, und höre auf meinen Rat; bedenke, daß das, um das du mich bittest, dir nur gefährlich sein kann, ohne dir irgendeinen Nutzen zu bringen!‹ Solche Weigerung machte mich nur noch neugieriger; ich erzählte ihm meine Geschichte und verbarg ihm wahrlich meinen Zustand nicht. Dieses Geständnis ließ ihn mehr Rücksicht auf meine Bitten nehmen, er hatte Mitleid mit meiner Hartnäckigkeit und sagte zu mir mit einem bitteren Lächeln, doch voller Mitgefühl: ›O Freund meines Herzens, man kann dir dies Geheimnis nicht offenbaren; um es zu erfahren, muß man die Stadt verlassen; wenn du dann dem folgst, was man dir sagt, wird sich alles vor deinen Augen entschleiern!‹ ›Laß uns sogleich aufbrechen‹, drängte ich eifrig. Er hatte Mitleid mit meinem Zustande, ging voraus, und ich folgte ihm. Und wir kamen in eine einsame Gegend, ziemlich nahe bei der Stadt. Die Einsamkeit dieser Stätte flößte mir ein geheimnisvolles Grauen ein. Als wir eine Weile zugeschritten waren, fanden wir einen verfallenen Palast, in dessen Mitte man einen an einem Stricke hängenden Korb sah, der an dem höchsten Teile eines verfallenen Gewölbes angeknüpft zu sein schien. Der junge Kaufmann wies auf den Korb hin, und mich tränenden Auges anschauend, sagte er: ›Setze dich in diesen Korb; da du es durchaus willst, so löse den Knoten, der deinem Herzen Pein bereitet!‹ Kaum hatte ich Platz genommen, als ich mich mit der Schnelligkeit eines Blitzes emporgehoben sah; es war, als wenn ein Greif sich in die höchsten Lüfte schwingt. Ich wurde in einem Augenblick so erstaunlich hochgetragen, daß ich bald den Himmel

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