Tausend und eine Nacht, Band 4
erwiderte Sader; »meinst du, ich streife schon so lange in allen Ländern umher, um endlich, nachdem ich Ali gefunden, ihn dir zu überlassen? Komm mit mir zu Turaja, dann wollen wir alle zusammen seine Mutter Farha besuchen.«
Als Duha einsah, daß Sader nicht nachgeben würde, fiel sie so schnell wie der Blitz über ihn her, schlug ihm einen Flügel ins Auge, daß er umstürzte, und sagte: »Wehe dir, du Hundsgeist, ich will dir zeigen, wie unklug es ist, einer weiblichen Djinn zu widersprechen.« Sie riß ihm dann die Statue aus der Hand und wollte damit zu Farha fliegen, als Turaja erschien und ihr zurief: »Halte ein, oder du bist des Todes!« Duha drehte sich um, und als sie die Königin Turaja vor sich sah, rief sie: »Gnade, großmütige Königin! Bei dem Siegel Salomos! Ich wollte deinem Geliebten nichts zuleide tun, ich wollte ihn nur, meinem Eide gemäß, seiner Mutter Farha bringen; dann verzeihe mir und bedenke, daß ich als eine treue Dienerin und Freundin der Königin Farha nicht anders handeln konnte.« – »Du hast deine Pflicht getan«, erwiderte Turaja; »doch gib jetzt Sader die Statue, daß er sie an einen Ort trage, wo uns niemand überrascht; und dir steht es frei, der Königin Farha sogleich Nachricht von ihrem Sohn zu geben und sie einzuladen, mich zu besuchen, oder mir zu folgen und bei mir zu bleiben, bis ich Ali seine frühere Gestalt wiedergegeben.« – »Ich schicke sogleich meiner Gebieterin einen Boten; ich weiche aber nicht von hier, mächtige Königin«, erwiderte Duha, »bis ich den Sohn meiner Gebieterin wieder beim Leben sehe.« Sie ging dann mit Turaja in eine Höhle, wohin Sader schon mit der Statue vorangeeilt war. Turaja fuhr der Statue mit der Hand über das Gesicht und nahm ein wenig Erde herunter, die noch darauf klebte, beschwor heilige Namen darüber und streute die Erde auf den Boden. Sogleich sproßte ein grünes Kraut aus dem Boden mit roter Blüte. Turaja pflückte diese Blüte und preßte einen öligen Saft heraus, mit dem sie die Statue bestrich. Dann sagte sie: »Bei den heiligen Namen, durch deren Kraft dieses wunderbare Kraut hervorsproß, kehre wieder zu deiner früheren menschlichen Gestalt zurück!«
Kaum hatte Turaja diese Worte vollendet – so fuhr Ali in seiner Erzählung fort – als meine Zunge sich zu regen anfing und ich rief: »Es gibt keinen Gott, als einen einzigen, und Mohammed ist sein Gesandter; er ist allmächtig, und durch seinen Willen werden die Toten wieder belebt!« Als Turaja mich wieder sprechen hörte, und in meiner früheren Gestalt wieder sah, küßte und umarmte sie mich und befahl Sader, mich in ihre Wohnung zu tragen, wohin sie und Duha mir folgten. Wir brachten den Abend zusammen unter den traulichsten Gesprächen und gegenseitiger Mitteilung unserer Abenteuer zu; gegen Mitternacht zogen sich Sader und Duha zurück, und ich blieb allein bei Turaja, deren Küsse noch süßer waren, als die unserer Hochzeitsnacht. Nach den herzlichsten Umarmungen schliefen wir ein, und siehe da! Als ich des Morgens erwachte und meine Augen öffnete, befand ich mich zwischen Himmel und Erde auf den Schultern einer fliegenden Djinn, Da sagte ich den Spruch, dessen sich niemand zu schämen braucht: »Es gibt keinen Schutz und keine Hilfe, außer bei Gott, dem Erhabenen!« Dann sagte ich zu der mich tragenden Djinn: »Wer bist du und wo willst du mich hinbringen?« Sie antwortete: »Fürchte dich nicht, ich bin Duha, die Freundin deiner Mutter Farha, zu der ich dich trage; ich bin der Königin Turaja nur aus List gefolgt, um dich im ersten günstigen Augenblick ihr wieder zu rauben, denn deine Mutter sehnt sich gar zu sehr nach dir; sobald wir bei ihr in Sicherheit sind, schicken wir Turaja einen Boten und lassen sie zu uns kommen.« Als ich Duha wieder erkannte, beruhigte ich mich und ließ mich ohne Widerstreben von ihr weitertragen. Schon freute ich mich, meine Mutter bald wiederzusehen, und hoffte, nun bald am Ziel meiner Leiden zu sein, als auf einmal in der Nähe der Löweninsel, an welcher wir vorüberfliegen mußten, eine unzählbare Schar fliegender Genien mit dem König Djahak an ihrer Spitze, sich um uns herlagerte und uns so eng umschloß, wie ein Siegelring den Finger. »Wir sind verloren!« rief Duha: »Hier ist der Mann, der um mich geworben hat und vor dem ich mich zu deiner Mutter flüchtete: Wir sind allein und hilflos und können ihm nicht mehr entfliehen. Gott erbarme sich unser und deiner Mutter!« Kaum hatte sie diese Worte
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