Tausend und eine Nacht, Band 4
sie von Gottes Strafe nichts. Da hört alle Täuschung auf und bleibt nichts, als Ergebung in Gottes Willen.«
Der Bruder des Khadi sagte: »Ich will mein Verbrechen bekennen«, und gestand sein Unrecht gegen seine Gattin. Dann sagte die Mutter des getöteten Kindes: »Auch ich will meine Sünde bekennen«, und erzählte, wie sie ungerechterweise eine Frau geschlagen und fortgejagt habe. »Und ich«, sagte endlich der Gauner, wollte einer Frau den Hals abschneiden, weil sie meiner Leidenschaft Widerstand leistete und tötete statt ihrer ein Kind, das bei ihr lag. Das ist mein Verbrechen.« Als die Frau des Khadi diese Geständnisse hörte, rief sie aus: »O Gott, wie du siehst, haben die Sünder sich gedemütigt, laß ihnen nun den Lohn des Gehorsams werden, du bist ja mächtig über alles.« Gott erhörte ihr Gebet und heilte sie alle. Sodann gab sie sich zu erkennen, und der Khadi dankte Gott, daß er ihn wieder mit ihr vereint. Sein Bruder aber, der Gauner und die Mutter des Kindes baten sie um Verzeihung; sie verzieh ihnen, und alle blieben nun beisammen und lebten der Gottesverehrung, bis der Tod sie trennte.
Die gerettete Frau in Mekka.
Einer der Großen erzählt: Während ich einst in dunkler Nacht den Kreis um die Kaaba machte, hörte ich eine jammernde Stimme aus einem traurigen Herzen heraufsteigen, welche rief: »O Allgütiger, mein Herz bleibt seinem Gelübde treu!« Mich rührte diese Stimme so sehr, daß ich mich ihr näherte, und siehe da, es war die Stimme einer Frau. Ich sagte ihr: »Friede sei mit dir, Mutter Gottes!« Sie antwortete: »Mit dir sei Friede und Gottes Barmherzigkeit und Segen.« Ich beschwor sie dann bei Gott, mir zu sagen, was das für ein Gelübde wäre, dem ihr Herz treu bleiben wollte. Sie antwortete: »Hättest du mich nicht bei Gott beschworen, ich würde dir mein Geheimnis nicht anvertraut haben. Doch siehe, was ich bei mir habe!« Ich sah sie genau an und fand ein Kind schlafend in ihren Armen liegen, und sie erzählte dann: »Ich verließ, dieses Kind unter meinem Herzen tragend, meine Heimat, um hierher zu wallfahren. Ich hatte mich aber kaum eingeschifft, als uns der Wind ungünstig wurde; ein mächtiger Sturm erhob sich bald; die Meereswellen tobten mit solchem Ungestüm, daß sie das Schiff zerschlugen; ich aber rettete mich auf einem Brett, wurde entbunden und wurde so auf diesem Brett, mit meinem Kind im Schoß, von den Wellen hin und her getrieben. Auf einmal kam einer der Matrosen des Schiffes zu mir geschwommen und faßte mein Brett und sagte: Bei Gott! Ich habe dich schon geliebt, als ich dich auf dem Schiff sah; da ich dich nun erreicht habe, so erhöre meine Liebe, oder ich werfe dich vom Brett herunter ins Meer. Ich sagte: Wehe dir! Hat dir das eben erlebte Unglück nicht zur Belehrung und Ermahnung gedient? Er antwortete: Dergleichen habe ich schon oft gesehen und bin immer glücklich davon gekommen; das macht keinen Eindruck auf mich. Ich sagte: Wir sind doch in einer Lage, aus der wir nur durch Gottergebenheit gerettet werden können, nicht durch Sünde. Aber alle meine Reden waren vergebens, der Matrose wurde so zudringlich, daß ich, in der Hoffnung, ihn täuschen zu können, ihm sagte: Warte nur, bis mein Kind schläft. Aber er nahm mir mein Kind weg und warf es ins Meer. Als ich dieses sah, zerbrach mein Herz vor Gram, ich hob den Kopf gen Himmel und rief den Allmächtigen an, daß er mich aus der Hand dieses schwarzen Ungeheuers befreie. Kaum hatte ich mein Gebet vollendet, als ein großes Seetier aus dem Meer emporstieg und ihn vom Brett herunterwarf. Als ich nun allein auf dem Brett war, da erwachte mein Schmerz von neuem über den Verlust meines Kindes, meiner Leibesfrucht, und ich betete zu Gott, daß er mich doch wieder mit ihm vereinige. Am folgenden Morgen sah ich auf einmal weiße Segel in der Ferne, auf die mich Wind und Wellen hinstießen. Die Schiffsleute nahmen mich gerne auf, und als ich in ihrer Mitte war, sah ich auf einmal mein Kind bei ihnen. Ich fiel darüber her und sagte den Leuten, daß es mein Kind wäre, und fragte sie, wie sie dazu gekommen. Sie antworteten: Unser Schiff hielt mitten in seinem Lauf auf einmal still, und als wir uns nach der Ursache umsahen, entdeckten wir ein Seeungeheuer, so groß wie eine Stadt, mit einem Kinde auf dem Rücken, das an seinen Fingern saugte.
»Als ich dies hörte«, sprach die Frau weiter, »erzählte ich den Schiffsleuten, was mir begegnet, und dankte dem Herrn für seine Hilfe und
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