Tausend und eine Nacht, Band 4
Djanschah weinte heftig bei dieser Antwort und fiel in Ohnmacht. Scheich Naßr rief dann einen großen Vogel herbei und sagte ihm: Bringe diesen Jüngling in das Land Kabul. Der Vogel nahm Djanschah auf den Rücken und sagte ihm: Nimm dich wohl in acht, daß dich die Luft nicht zerschneide, und stopfe deine Ohren zu wegen der Wind- und Seekrankheit und dem Getöse der Himmelssphären. Djanschah tat, wie ihm gesagt wurde, und der Vogel erhob sich und flog mit ihm einen Tag und eine Nacht; dann ließ er sich herunter in der Nähe der Wohnung des Königs der Tiere und sagte ihm: Ich habe den Weg verfehlt, den mir Scheich Naßr beschrieben, wir müssen wieder umkehren. Aber Djanschah sagte: Geh' nur deines Weges, ich will hier sterben oder in meine Heimat zurückkehren. Der Vogel flog hierauf seines Weges fort und Djanschah ging in das Schloß des Schah Bedr, des Königs der Tiere. Dieser fragte ihn, wer er sei und wo er mit diesem ungeheuren Vogel herkomme? Djanschah erzählte ihm seine ganze Geschichte vom Anfang bis zum Ende, und bat ihn um Auskunft über die Diamanten-Zitadelle. Schah Bedr erstaunte sehr über seine Erzählung und sagte: Bei unserem Herrn Salomo, dem Sohne Davids, Friede sei mit ihm: Ich weiß nichts von dieser Zitadelle; sobald mir aber jemand darüber Auskunft gibt, will ich dich dahin senden. Djanschah weinte heftig und blieb einige Zeit bei Schah Bedr. Eines Tages kam Schah Bedr zu ihm und sagte ihm: Nimm diese Tafel und lerne auswendig, was darauf geschrieben, dann kannst du mich zu den Tieren begleiten und sie nach der Diamanten-Zitadelle fragen. Nach einer kurzen Weile kamen alle möglichen Gattungen Tiere an und grüßten Schah Bedr. Er fragte sie nach der Diamanten-Zitadelle, aber niemand wußte etwas davon. Da weinte Djanschah und bedauerte es, nicht mit dem Vogel gereist zu sein, den ihm Scheich Naßr mitgegeben. Der König der Tiere bemitleidete ihn und sagte ihm: Mein Sohn, betrübe dich nicht, ich habe einen älteren Bruder, der dem König Salomo abtrünnig geworden und viel mehr vermag, als Scheich Naßr, denn er ist der Herrscher über alle Genien dieses Landes; ich will dich zu ihm schicken, vielleicht weiß er etwas von der Diamanten-Zitadelle. Hierauf setzte er Djanschah auf den Rücken eines ungeheuren Tieres und gab ihm Empfehlungsschreiben mit an seinen Bruder, den König Schamach. Das Tier lief sogleich weg, und nach mehreren Tagen und Nächten blieb es in einiger Entfernung von der Wohnung des Königs Schamach stehen, denn aus Ehrfurcht vor ihm wagte es nicht, sich ihm ganz zu nähern. Djanschah stieg ab und ging zum König, küßte ihm die Hände und übergab ihm das Schreiben seines Bruders. Als der König Schamach es gelesen hatte, bewillkommte er Djanschah und sagte ihm: Mein Sohn, ich habe in meinem Leben die Diamanten-Zitadelle nicht nennen hören. Djanschah weinte und seufzte, und erzählte auf Verlangen des Königs Schamach seine ganze Geschichte. Als er zu Ende war, sagte Schamach: Mein Sohn, ich glaube nicht, daß unser Herr Salomo je von dieser Zitadelle gehört, noch sie gesehen hat; aber ich kenne einen sehr alten Priester im Gebirge, dem alle Tiere und Vögel und Genien gehorchen, der selbst durch seine Beschwörungen die Könige der Genien sich zu unterwerfen versteht; auch war er es allein, der etwas gegen mich vermochte, als ich von unserm Herrn Salomo abtrünnig und gefangengenommen wurde, denn er ist ein gar zu listiger Zauberer und geschickter Beschwörer. Er hat auch, um in seiner Kunst sich auszubilden, alle Länder durchreist, und ich glaube nicht, daß es einen Ort gibt, der ihm verborgen ist. Ich will dich zu ihm schicken, vielleicht kann er dir den Weg angeben, der dich zur Diamanten-Zitadelle fährt; weiß er ihn nicht, so weiß ihn auch niemand in der ganzen Welt, denn alle Geschöpfe Gottes sind seine Diener. Er ist ein so großer Zauberer, daß er eine Achse aus drei Stücken zusammengesetzt hat; wenn er sie in die Erde einschlägt und über das erste Stück einige Zauberformeln liest, so kommt Fleisch heraus, aus dem noch Blut fließt; macht er Beschwörungen über das zweite Stück, so fließt süße Milch hervor, und aus dem dritten Stück wächst auf sein Verlangen Gerste, Weizen und allerlei Obst. Wenn er dann die Achse wieder aus der Erde nimmt, so zieht er sich wieder in sein Kloster zurück, das man das Diamantenkloster nennt. Dieser verdammte Priester, dem ich dich nun empfehlen will, heißt Jaghmus. Der König Schamach rief dann einen
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