Tausend Worte der Liebe
umlegte.
»Anhalten!«, rief sie.
Doch der Wagen fuhr weiter und reihte sich in den fließenden Verkehr der Hauptstraße ein. Shay holte Luft, wollte lauthals protestieren, als eine wohlbekannte Stimme vom Steuer her erklang. »Mach dir keine Sorgen, alles ist geregelt. Du hast heute einen freien Tag.«
Zu wütend, um daran zu denken, dass sie von Zucker überzogen und in eine Decke gehüllt war, schob sie den kleinen Vorhang beiseite, der die Fahrerkabine von dem hinteren Teil des Wagens trennte. »Mitch Prescott!«, schrie sie. »Kehr sofort um. Ich steige aus!«
Mitch warf ihr einen Blick über die Schulter zu. Seine Augen blitzten mutwillig. »Hier willst du aussteigen? Ich bin sicher, du würdest die Sechsuhrnachrichten um ein Hauptereignis bereichern. Für Reese Motors wäre …«
»Das ist Kidnapping, Körperverletzung … Du sollst kehrtmachen!«
»Dazu brauchte ich ein Fußballfeld, mein Liebling«, kam die ruhige, zufriedene Antwort. »Mach dich auf eine Tagestour gefasst.«
»Du …du Höhlenmensch, du …« Shay schnappte nach Luft.
»Der Gedanke, dich in eine Höhle zu schleppen, gefällt mir«, meinte Mitch. »Es widerstrebt mir nur, dass ich dich mit einer Keule über den Kopf schlagen müsste, um dich an deinen schönen Haaren zu ziehen. Dafür bin ich zu feinsinnig.«
»Davon hab’ ich noch nichts gemerkt.«
Mitch lachte, und jemand hupte, als er die Spur wechselte und die Freeway-Ausfahrt nahm. Mit einem kleinen Ausruf plumpste Shay auf den Kabinenboden in ein Bündel von zuckerüberzogener, synthetischer Wolle. Darauf überdachte sie ihre Lage.
Aus dem fahrenden Wagen zu springen, war unmöglich. Sich ohne vorher geduscht zu haben, wieder die Sachen überziehen … Nein, das ging auch nicht. Und mit diesem Verrückten am Steuer mochte sie auch nicht unter die Dusche gehen. Eigentlich gab es weit Schlimmeres, als mit Mitch Prescott allein zu sein, musste sie sich schließlich eingestehen.
»Wusste Ivy was du vorhattest?«
»Ich muss sie in Schutz nehmen, meine Zuckerkirsche.«
Das Wort »Zucker« ließ Shay erschaudern. Sie zog die Decke fester um ihre Schultern. »Wehe, wenn sie mir über den Weg läuft.«
Zum ersten Mal klang Mitchs Stimme ernst. »Wir müssen uns aussprechen, Shay.«
»Das ist kein Grund, mich zu entführen.«
»Nein? Beim letzten Versuch bist du wenig entgegenkommend gewesen.«
Shay gähnte. Es war verrückt, aber all die schlaflosen Nächte machten sich bemerkbar, schienen ihr Recht zu fordern. Ausgerechnet jetzt. Sie wickelte sich in die Decke und schloss die Augen. Das gleichmäßige Schwingen des Wagens wirkte einlullend.
»Warum … warum gibst du dir so viel Mühe?«, fragte sie wieder.
Sie hätte schwören können, dass er gesagt hatte, weil er sie liebe.
Nein. Das muss sie wohl geträumt haben.
Mitch schlenderte am Strand auf und ab. Er hatte den Wagen an einer menschenleeren Stelle geparkt und dachte darüber nach, wie es nun weitergehen sollte. Shay schlief noch immer tief und fest. Wahrscheinlich würde sie ihn wie eine Furie attackieren, wenn sie wieder erwachte. Er bückte sich, hob ein Stück Treibholz auf und warf es weit hinaus in die Wellen.
Vielleicht war er tatsächlich verrückt geworden. Eine Woche mit fast vierundzwanzig Stunden Arbeit am Tag, das war sogar für ihn strapaziös. Möglicherweise machte er alles nur schlimmer.
Die Tür des Kabinenwagens knarrte. Shay hielt die Decke fest, in ihrem Haar glitzerte Zucker. Barfuß kam sie über den Strand auf Mitch zu.
»Es tut mir leid, Shay«, sagte Mitch schroff, als sie vor ihm stehen blieb. »Ich glaube, ich habe dies …«
Mit den Fingern der freien Hand berührte sie seine Lippen, und er schwieg. Die Wellen schwappten ans Ufer, irgendwo zwitscherten Vögel. Es war ein romantischer, atemberaubender Moment.
Ein primitives, quälendes Verlangen überkam Mitch. Er begehrte Shay, verlangte nach ihr. Er wagte es jedoch nicht, sie zu berühren oder auch zu sprechen. Wie sollte er seine Handlungsweise erklären?
Mit den Fingern strich sie zärtlich über sein Kinn, ließ sie am Hals entlanggleiten bis hinunter zum Hemdkragen. Mitch zitterte vor schmerzhaftem Begehren.
»Man hat vergessen, den Wassertank aufzufüllen«, erklärte sie.
Alles hatte Mitch erwartet, vom körperlichen Angriff bis zu beleidigenden Worten. Auf die ruhige Feststellung war er nicht gefasst. Er starrte sie schweigend an.
»In der Dusche läuft kein Wasser«, wiederholte Shay. Mit einer Hand hielt sie die
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