Tausend Worte der Liebe
schreiben hatte.
Als Mitch sich zu ihr umdrehte, glänzten auf seinen unrasierten Wangen Tränen. Shay hielt ihn, ließ ihre Hände über seinen Rücken gleiten.
»Wie kann ich über den Bastard schreiben?«, stöhnte Mitch, und Ekel schüttelte ihn. »Mir wird übel, wenn ich nur an ihn denke.«
Shay nahm Mitchs Gesicht in beide Hände und sah ihn an. »Du musst es tun, Mitch, weil noch mehr solcher Psychopathen frei herumlaufen. Wenn nur eine Frau dadurch am Leben bleibt, weil sie die Anzeichen aus deinem Buch wiedererkennt, ist es aller Mühe und Überwindung wert.«
»Ich kann es nicht tun!« Er zitterte in Shays Armen. »Verdammt, ich kann es nicht.«
»Doch, Mitch, du kannst. Ich helfe dir dabei.«
Mitch löste sich aus Shays Armen, um sie ansehen zu können. »Du willst was?«
»Ich weiß, dass du keine feste Beziehung mit mir suchst.« Shay war über ihren Mut, das auszusprechen, selbst verblüfft. »Deshalb sind überhaupt keine Verpflichtungen damit verbunden.«
»Verpflichtungen?«
»Ich liebe dich, Mitch, ganz gleich was du für mich fühlst. Heute Nacht will ich alles aus deinem Bewusstsein verdrängen, was hässlich und gemein ist und dich quält. Du wirst sehen, dass es mir gelingen wird.« Und ehe Mitch sich von ihrem eindeutigen Angebot erholt hatte, lächelte sie ihn zärtlich an und erklärte: »Deine Therapie beginnt sofort.«
Shay brachte es tatsächlich fertig, dass Mitch noch einmal nach Joliet flog, wo ein letztes Zusammentreffen zwischen Alan Roget und ihm stattfand. Als Mitch das hinter sich hatte, begann er zu schreiben. Es war eine böse Sache, und Mitch litt sehr unter dieser Aufgabe. Er schwor sich, ein solches Projekt nie wieder anzufassen. Doch als Thanksgiving kam, lag der Rohentwurf vor.
Shay saß auf dem Sofa, sie hatte die Füße hochgezogen und las aufmerksam. Der Geruch von Alices köstlichem Truthahn lag noch in der Luft, dazwischen mischte sich würziges Aroma von frischem Kürbis-Pie, der später warm serviert werden sollte. Mitch mochte kaum zu Shay hinsehen. Trotzdem wanderte sein Blick in regelmäßigen Abständen in ihre Richtung.
Hank war nach dem guten Essen und der Aufregung des Feiertages auf der Couch eingeschlafen. Sein Kopf lag in Shays Schoß. Mitch lächelte, als er daran dachte, wie gut er sich mit Hank verstand. Alice wippte im Schaukelstuhl und strickte einen hellroten Pulli. Die beiden Frauen und der Junge wären eine ideale Familie für Mitch, doch er hatte Angst, dieses Thema zu berühren. Sein Verhältnis zu Shay war für solche Gespräche noch zu heikel.
Er hatte sich auf den Teppich gesetzt, die Hände im Nacken verschränkt und den Rücken gegen einen Sessel gestützt. Alice sah auf, und sie zwinkerte ihm zu.
Dann klappte Shay das Manuskript zu und legte es beiseite. Sie hielt den Blick gesenkt, ihre Miene war undurchdringlich.
Mitch richtete sich kerzengerade auf. »Es missfällt dir«, stellte er mit rauer Stimme fest. Dass ihm an Shays Urteil so viel gelegen war, machte ihn ganz unglücklich.
»Du verabscheust diesen Kerl, Mitch«, erwiderte Shay vorsichtig. »Alle Kapitel sind ausgezeichnet, bis auf das letzte …Es ist ein Vorgriff auf das Gerichtsurteil, fast wie der Aufruf zur Blutrache.«
»Natürlich verabscheue ich Roget. Er ist ein Mörder.«
»Im Buch haben deine Gefühle nichts zu suchen, Mitch. Als Journalist musst du objektiv bleiben.«
Hank bewegte sich im Halbschlaf. Mitch erhob sich schnell, hob ihn in seine Arme und trug ihn aus dem Zimmer. »Ich bringe Hank ins Bett«, sagte er mit verkniffenem Mund.
Shay lächelte. »Oh, wie bist du für Kritik empfänglich, Mr Prescott.«
Mitch half Hank beim Ausziehen. Dann zog er ihm die Decke bis unters Kinn.
»Ich wünschte, dass du immer bei uns wärst«, meinte Hank und gähnte. »Es ist fast so, als hätte ich einen Dad.«
Mitch lächelte, verwuschelte sein Haar. »Ich tue mein Bestes, Bürschchen«, sagte er ruhig. »Ich tue mein Bestes.«
»Wirst du Mom heiraten?«
Mitch suchte eine Sekunde lang nach der rechten Antwort. »Ich hoffe es«, antwortete er schließlich.
Hank kuschelte sich tief in sein Kissen und gähnte noch mal, die Augen fielen ihm zu. »Das hoffe ich auch«, murmelte er undeutlich.
Als Mitch ins Wohnzimmer zurückkam, empfing Shay ihn mit einem ironischen Lächeln. »Niemand ist empfindsamer als ein Autor, dem man eben gesagt hat, dass sein letztes Kapitel in die Binsen ging.«
Mitch wollte nicht streiten, außerdem akzeptierte er ihren
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