Tausend Worte der Liebe
Doch wo blieb das Lachen mit Mitch, die kleinen Streitereien und – mach dir nichts vor, Shay – die zärtlichen Stunden in seinen Armen, erregend und erschöpfend und doch so erstaunlich vitalisierend? Bei Mitch zu sein, war ein einziges Abenteuer.
Abenteuer. Shay seufzte. Das war das Schlüsselwort. Sie war nicht dafür geschaffen, wartend zu Hause zu sitzen, während der Mann, den sie liebte, sein Leben riskierte für einen journalistischen Auftrag. Das wäre keine Ehe, denn wenn Mitch eines Tages nicht zurückkäme, wäre ihr eigenes Leben zerstört.
Mit einem Ruck setzte sie sich im Bett auf. Unversehens wurde ihr klar, dass ein Leben ohne Mitch so oder so keinen großen Wert hatte.
Der anbrechende Tag hätte nicht sonniger und schöner sein können. Buntes Herbstlaub glänzte in leuchtenden Farben an beiden Seiten der Einfahrt, als Shay ihren Wagen vor Mitchs Haus parkte. Sie hörte in der Tiefe des Gartens Hammerschläge, deshalb klingelte sie nicht, sondern ging dem Geräusch nach. Mitch kniete auf dem Dach der Spiellaube, ein halbes Dutzend Nägel zwischen den Lippen, sein bloßer Oberkörper von der Sonne zu einem tiefen Goldbraun getönt. Shay blieb eine Weile stehen, um ihn zu beobachten, das Herz schlug ihr bis zum Hals.
Er hörte auf, den Hammer zu schwingen, und sah sie an, und da war keine Zärtlichkeit oder Wiedersehensfreude in seinen Augen.
Shay ließ sich nicht anmerken, wie verletzend dieser kühle Empfang war. »Wenn du eine Minute Zeit hättest, würde ich gern mit dir reden.«
Er begann, einen Nagel in eine der Dachschindeln zu klopfen. »Ich habe zu tun.«
Shay war sehr betroffen, aber sie blieb beharrlich. »Ich bringe das Manuskript«, log sie. Das Buch war nicht der Grund, warum sie kam.
Mitch hämmerte weiter. »Gib es bei Mrs Carraway ab«, sagte er kurz angebunden.
»Dir liegt nicht viel daran, dass ich mich entschuldigen möchte, nicht wahr?« Sie wurde rot, fühlte sich beschämt und verletzt, und doch war es ihr nicht möglich, einfach wegzugehen.
»Entschuldige dich, soviel du willst. Ich bin es leid, auf deine Spielchen einzugehen, Shay.«
»Spielchen? Was für Spielchen?«
Mitch richtete sich auf und legte den Hammer zur Seite. Aber er blieb auf dem Dach oben, und sein Benehmen blieb abweisend. »Du weißt genau, was ich meine, Shay. Du kommst zu mir, wenn du Trost brauchst oder einen Liebhaber, und dann läufst du davon.«
»Einen Lieb … Oh, wie bist du roh!«
Er straffte die breiten, sonnengebräunten Schultern. »Es ist die Wahrheit. Du willst deinen Spaß haben, doch für eine echte Bindung bist du zu feige. Stimmt es? Auch gut. Nun, such dir für deine Zwecke einen anderen Mann.«
»Du hast gesagt, dass du mich liebst!«
Ein kleines Stück von der Schindel sprang ab unter der Wucht von Mitchs Hammer. »Das tue ich«, sagte er, ohne Shay dabei anzusehen. »Nur bin ich zum Spielen nicht aufgelegt. Ich will alles oder gar nichts.«
Verwirrt und genauso gebrochen wie diese Schindel, die Mitch gerade zerstört hatte, wandte Shay sich ab und eilte davon.
12. KAPITEL
In den kommenden Wochen musste Shay zur Kenntnis nehmen, dass sie über Partyservice noch eine Menge zu lernen hatte. Sie machte alle üblichen Fehler und noch ein paar dazu. Am Monatsende hatte ihre Zuversicht einen tüchtigen Knacks bekommen.
Glücklicherweise stand Alice ihr getreu zur Seite. Sie saß jetzt am Küchentisch und nähte für Hank ein Halloweenkostüm aus Pelz, Stoffresten und dicker Wolle. Shay plagte sich inzwischen damit, für fünfzig Personen Lasagne zu mixen.
»Hast du denn erwartet, dass die Eröffnung eines solchen Unternehmens problemlos ist?«, fragte Alice.
Shay seufzte und stellte wieder eine fertige Kanne in den Eisschrank. »Natürlich nicht. Aber ich hatte Angst vor dem Kaufmännischen. Dass mir die praktische Arbeit über den Kopf wachsen könnte, damit hab’ ich im Traum nicht gerechnet. Vier Hochzeiten sind gebucht, und gestern riefen schon Leute an, um für Thanksgiving zu bestellen. Früher hat man selbst gekocht und sich nicht auch für solche Feiertage alles bringen lassen.«
Alice lachte. »Sei doch froh! Und die Lösung des Problems liegt auf der Hand. Engagiere dir Hilfskräfte.«
Shay ließ die Hände sinken und lehnte sich gegen den Tisch. »Das würde ich nur ungern tun. Wenn das Geschäft nachlässt, muss ich den Leuten wieder kündigen.«
»Du solltest von Anfang an klarmachen, dass die Beschäftigung möglicherweise nur vorübergehend
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