Tausendstern
Zielübungen. Doch auch seine Kraft ließ jetzt nach. Die lange, harte Arbeit hatte seine Körpertemperatur ansteigen lassen; seine heißen Nadeln waren zwar äußerst effektiv, doch er mußte sich abkühlen, da er sonst seine Körpergewebe zerstören würde. Sein Flüssigkeitsreservoir zeigte Ebbe; er verbrauchte den freien Wasserstoff dieser Atmosphäre rascher als die langsame Luftzirkulation ihn erneuerte, und jede Nadel verbrauchte mehr davon. Etwas Frischluft drang zwar durch den Riß in der Felswand herein, doch längst nicht genug. Er begann unter akutem Wasserstoffmangel zu leiden und wurde zunehmend matter.
»Nicht aufgeben!« forderte Jessica. »Windblume kommt wieder zu Kräften. Halte nur noch für kurze Zeit die Ratten zurück...« Und sie gab ihm einen ermutigenden Kuß.
Heem hielt sie noch für eine lange Zeit zurück. Er verlor allmählich das Bewußtsein und konzentrierte sich auf unmittelbare Gefahren. Wenn eine Ratte direkt angriff, nadelte er sie, und sie fiel tot zu Boden. Doch die Reichweite seiner Nadeln wurde ständig geringer, und der Halbkreis der Ratten drängte ständig näher. Wenn diese dummen Kreaturen erkannten, wie hilflos er jetzt gegenüber einem massierten Angriff war...
Doch jedesmal, wenn Heem in ermattete Resignation versank, riß Jessica ihn durch Schmeicheln, Anfeuern, Drohen und Anschreien wieder heraus. Nach und nach vermischten sich alle diese Dinge in seinem Bewußtsein zu dem Massengeschmack des Gemurmeis einer großen
Menge, doch er zwang sich trotzdem dazu, sich davon aus seinem Dämmerzustand reißen zu lassen. Er war hilflos nicht nur gegenüber den Ratten, sondern auch gegenüber den Ermutigungen und Drohungen der Alien, und mußte tun, was sie befahl.
Der Erb zog sich langsam auf die Wurzeln. Sie stand wieder aufrecht! Sie formte ihren Bohrer und rammte ihn in den Riß der Felswand. Sie versetzte ihn in Rotation und spreizte gleichzeitig ihre Blütenblätter - und plötzlich klaffte der Riß zu einem breiten Spalt auf; ein Teil der Wand stürzte ein. Dicke Staubwolken wirbelten auf, Steintrümmer polterten herab und begruben den bewußtlosen Squam halb unter sich. Eine Lichtflut strömte herein, badete sie alle in ihrer Wärme.
Heem sackte zusammen. Das Licht machte ihm nichts, doch die Wärme trieb seine ohnehin schon gefährlich hohe Körpertemperatur an die Grenze des Todes. Er hatte getan, was möglich war, und konnte nichts mehr geben. Er mußte seinen Körper zusammensacken lassen und Wasserstoff hineinpumpen. Doch der Erb war gerettet; er konnte weiterziehen und das Ziel erreichen. Einer würde entkommen. Aber Windblume zog nicht weiter. Sie vergrößerte das Loch und stieg dann mühsam über die Gesteinstrümmer in die Kammer zurück. Sie entdeckte Sickh - denn sie konnte natürlich wieder sehen -, schob ihren Bohrer unter die Trümmer, unter denen sie lag, und schleuderte sie beiseite. Die Ratten stoben wieder davon, als ein Hagel von schweren Steinbrocken auf sie herabprasselte. Welch eine enorme Kraft steckte in einem Erb, der genügend Licht bekam!
Sickh regte sich. Sie war sehr lange bewußtlos gewesen und kam jetzt wieder zu sich. Sie kroch über die Steintrümmer auf Heem zu. Zwei würden entkommen.
Der Squam packte Heems weiches Fleisch mit einer Schere und begann zu zerren. Es tat weh, doch es war gut; sie zog ihn auf das Loch zu.
Auf - was?
»Idiot!« fuhr Jessica ihn an. »Dein wirrer Verstand verwechselt dieses Loch mit dem Schwarzen Loch. Also reg dich wieder ab!«
Heem entspannte sich. Dies war nicht das Ende, es war die Rettung. Aufwärts und hinaus bewegten sie sich, in den herrlichen Geschmack und den frischen Wasserstoff eines lebendigen Tages.
Drei waren entkommen.
8. Fundstätte der Hoffnung
Die frische, aromatische Luft ließ Heem rasch wieder zu Kräften kommen, und das intensive Licht ließ Windblume neu erblühen. Die beiden ruhten sich aus, sammelten Kräfte, während Sickh in die Höhle zurückkehrte und die getöteten Ratten aß. Windblume streckte eine Wurzel aus und berührte Heem, eine Geste des Vertrauens; sie wußte, daß er sie vor den Ratten gerettet hatte und wollte ihm ihre Dankbarkeit zeigen. Natürliche Feinde waren zu Freunden geworden.
Wenig später setzten die drei ihren Weg zur Fundstätte der Alten fort. Wieviel Zeit mochten sie gewonnen oder verloren haben? Befanden sie sich jetzt unter den ersten, oder war das Rennen schon vorüber?
Sie hatten es nicht mehr weit. Hinter der Bergkette lag ein
Weitere Kostenlose Bücher