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Tausendstern

Tausendstern

Titel: Tausendstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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wieder erschütterte eine Sturmböe das Schiff, und Heem mußte auf die Kontrollinstrumente achten. Die Balance zwischen Stern und Loch blieb eine heikle Angelegenheit.
    Dann bemerkte er etwas anderes. Etwas fehlte. »Jessica?«
    Wie aus weiter Ferne antwortete sie: »Hier bin ich, Heem.«
    »Geht es dir gut? Deine Präsenz scheint abgenommen zu haben.«
    »Ich - ich glaube es auch. Als du in meine Aura eindrangst - ich - von mir ist ja nicht mehr hier als nur meine Aura, deshalb - ich glaube, ich bin dabei, meine Identität zu opfern.«
    »Fremde, ich wollte dich nicht auslöschen! Du wolltest doch, daß ich...«
    »Ja, ja, das wollte ich auch, Heem. Ich hab' dich gedrängt, dich meines Wahrnehmungssystems zu bedienen, und zwar jeder Möglichkeit bis hin zur Farbensicht. Ich hatte nur nicht geahnt, wie grundlegend dieser Eingriff wäre.«
    »Ich ziehe mich zurück.«
    »Nein! Du mußt sehen können! Du mußt das Schiff von hier wegbringen, ehe die einander entgegenwirkenden Gravitationsschächte und Kraftfelder und die Strahlung und der Sturm uns vernichten.«
    Das Schiff tauchte aus dem Nebel auf. Und man konnte wieder hinausschauen. »Ich versuch's«, versprach Heem. »Wir behalten unsere Beschleunigung bei. Ich muß eine Position weit genug vom Stern entfernt finden, um eine Schädigung durch seine Strahlung zu vermeiden, und weit genug vom Loch entfernt, um genügend Fluchtgeschwindigkeit beizubehalten. Wenn mir das gelingt und der Treibstoff ausreicht...«
    »Oh, du schaffst es schon!« rief sie. »Ich weiß, daß es dir gelingt. Ich ziehe mich am besten zurück, damit du beim Lenken des Schiffs nicht gestört wirst.« »Einverstanden.« Das Ganze ähnelte stark seinen Manövern in der Säulenformation, nur waren in diesem Fall die Alternativen absolut tödlich. Wenn er sich nicht innerhalb gewisser Toleranzgrenzen halten konnte, dann würden sie Opfer der einen oder der anderen Gefahr.
    Grundsätzlich kam es nur auf den Treibstoff an. Er mußte sich aus dem Anziehungsbreich des Lochs befreien und immer noch in der Lage sein, auf einem Planeten zu landen. Das hing von der Genauigkeit ab, mit der er durch das Nadelöhr geflogen war. Es gab keinen sicheren Bereich; Stern und Loch waren bereit, ihn an sich zu reißen, je nachdem, zu welcher Seite er abdriftete. Nun, da er keinen geraden Kurs mehr flog, würde er nicht direkt in einen der Gravitationsschächte hineinstürzen; er würde auf eine sich verkleinernde Umlaufbahn um Stern oder Loch einschwenken, doch das Ende wäre unvermeidlich.
    Nun mußte er feststellen, wie genau er das Schiff auf Kurs gehalten hatte, wobei er seinen neuen Gesichtssinn benutzte. Er stoppte den Antrieb. Das Schiff setzte seinen Flug im Freifall fort, entfernte sich dabei vom Nebel, verlor jedoch an Geschwindigkeit. Bald schon würden seine Instrumente Stillstand melden, und die Katastrophe wäre vollkommen. Der Schaden war bereits angerichtet, entweder durch seine Fehleinschätzung oder durch die Turbulenzen des Nebels. Er wartete nur darauf, daß er sich bemerkbar machte.
    Und - die Aussichten waren günstig. Die Stern-Loch-Formation wich allmählich zurück, zwar zunehmend langsamer, aber er bewegte sich noch immer mit einer hinreichenden Restgeschwindigkeit. Die Strahlung ließ nach. Die Wirkung der Kraftfelder verminderte sich. Es schien, als reichte seine Geschwindigkeit aus - falls er noch in der richtigen Richtung unterwegs war.
    Als das Schiff seinen Flug fortsetzte, wurden die Zeichen deutlicher. Er war auf das Loch hin abgewichen. Doch sein neuerworbener Gesichtssinn und seine Beurteilung der Situation zeigten ihm, daß die Flugbahn des Schiffes weit genug am Loch vorbeiführte, so daß das größere Feld des Sterns dominierte. Wahrscheinlich würde er sogar noch dichter am Loch vorbeisteuern müssen. Damit erlebte er einen Konflikt zwischen seiner üblichen Wahrnehmung und seiner Sicht-Wahrnehmung. Es handelte sich nicht nur um eine unterschiedliche Perzeptionsweise, sondern auch um ein unterschiedliches Verständnis. Jessicas menschlicher Geist arbeitete nach einer völlig fremden Logik. Heem beschloß, das Risiko einzugehen und sich darauf zu verlassen.
    Als er sich auf die Flugbahn konzentrierte und auf den richtigen Moment zur Kurskorrektur wartete, huschten Erinnerungsfetzen durch sein Bewußtsein. Der Tod des Gutsbesitzers, eine prächtige Begräbnisfeier, das
    Erbe des Titels - doch all dies ergab für ihn keinen Sinn. Seine Rasse kannte kein subjektives Bewußtsein

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