Tausendundeine Nacht - Erwachsene Märchen aus 1001 Nacht
er mich mit seinen Zähnen, bis ihre Spuren auf der Wange stehen blieben; ich fiel in Ohnmacht, und als ich erwachte, fand ich den Laden geschlossen; der Kaufmann war fort, das Blut lief mir über das Gesicht hernieder, und die Alte war höchst bestürzt.
Das andere Mädchen fuhr zu erzählen fort: Die Alte sprach nunmehr: »Gott bewahre uns vor größerem Übel! Steh nur auf, meine Gebieterin! Fasse Mut, mache keinen Lärm, geh nach Hause, stell dich krank, decke dich zu, und ich werde Pulver und Pflaster bringen, dir deine Wange in drei Tagen zu heilen.« Wir machten uns auf und gingen langsam nach Hause. Hier fiel ich um vor heftigen Schmerzen, schlüpfte unter die Decke und trank Wein. Als es Nacht war, kam mein Mann zu mir und fragte: »O meine Treue! was hast du?« Ich sagte: »Kopfschmerzen.« Er zündete eine Wachskerze an, trat näher, sah mir ins Gesicht und bemerkte die Wunde an meiner Wange. Da fragte er: »Wer hat dir dies getan?« Ich antwortete: »Ich ging heute auf den Bazar, um mir verschiedene Stoffe abschneiden zu lassen; da drängte sich ein Kamel mit einer Ladung Holz an einem engen Platze des Bazars an mich hin, ein Stück Holz zerriß meinen Schleier und verwundete mich.« Da sagte er: »Ich werde morgen den Stadtaufseher bitten, alle Kameltreiber aufzuhängen.« Ich erwiderte ihm: »O mein Herr! das geht nicht, die Leute so zu hängen und ihr Blut zu vergießen; ich würde mich an ihnen versündigen, denn ich ritt auf einem Mietesel, der Eseltreiber trieb ihn zu stark, er stolperte mit mir, ich fiel auf dem Gesicht auf die Erde, wo zufällig ein Stück Glas lag, das meine Wange ritzte.« Da sagte er: »Bei Gott! ehe die Sonne aufgeht, laß ich durch Djafar alle Eseltreiber und alle Straßenkehrer hängen.« Ich sagte: »O mein Herr! meinetwegen sollst du niemanden hängen lassen.« Er sagte dann wieder: »Nun, woher kommt denn die Wunde auf deiner Wange?« Ich sagte: »Gottes Urteil und Bestimmung hat sie getroffen.« Ich suchte ihm auszuweichen, aber er drang so lange in mich, bis ich in meinen Reden mich verwirrte, und er zuletzt die Wahrheit erfuhr. Da schrie er mich an: »Du hast deinen Eid gebrochen!« Auf diesen Ruf kamen aus einem Kabinette drei schwarze Sklaven herbei; er befahl ihnen, mich aus dem Bette zu schleppen und auf den Rücken mitten im Zimmer hinzuwerfen; der eine setzte sich über meinen Kopf, der andere zu Füßen, der dritte entblößte sein Schwert, und mein Mann sagte ihm: »Spalte sie in zwei Teile und werfe sie in den Tigris, daß die Fische sie fressen; es ist der Lohn für ihren Meineid,« Er rief dann im heftigsten Zorne noch folgende Verse aus:
»Nimmt noch jemand teil an dem Gegenstande meiner Liebe, so verschmäht mein Herz eine solche Liebe, und müßte ich auch vor Gram sterben! Ich rufe meiner Seele zu: stirb unerniedrigt! Nichts Gutes ist bei einer Liebe, die man teilen muß.«
Als er dem Sklaven noch einmal befahl, mich zu töten, setzte dieser sich über mich her und sprach: »Hast du noch was auf dem Herzen vor dem Tode? denn dies ist deine letzte Stunde auf dieser Welt.« Ich sagte: »Steht ein wenig von mir auf, daß ich meinem Manne etwas sage.« Ich hob meinen Kopf auf, und sah, in welchem Zustande der Erniedrigung ich nach einem solchen Glanze mich befand, wie nun der Tod meinem Leben ein Ende machen solle. Ich mußte heftig weinen; mein Mann sah mich zornig an und sprach folgende Verse:
»Sage dem, der, unserer Vereinigung überdrüssig, uns Unrecht getan und an einem anderen Geliebten Wohlgefallen gefunden: wir sind deiner satt, ehe du unserer ganz überdrüssig wirst; wir haben genug mit dem, was zwischen uns vorgefallen.«
Als ich dies hörte, sah ich ihn weinend an und sprach folgende Verse:
»Ihr habt Liebe in mir erregt, und seid dabei ruhig geblieben; ihr habt mein wundes Auge geweckt, und habt selbst geschlafen; euer Platz ist zwischen meinem Herzen und meinem Blick; wie kann mein Herz euch vergessen, wie können meine Tränen sich verbergen? Ihr habt mir die dauerndste Treue versprochen, und sobald ihr im Besitze meines Herzens waret, seid ihr mir untreu geworden. Ich liebte euch als Kind, ehe ich noch die Liebe kannte; noch bin ich eine Schülerin, schonet meiner!«
Ich sah ihn dann an und setzte noch folgende Verse hinzu:
»Du hast den höchsten Gram mir aufgebürdet, während ich zu schwach bin, nur mein Hemd zu tragen; ich wundere mich nicht, wenn ich den Geist aufgebe, nur darüber wundere ich mich, wie man, nachdem du dich von
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