Tausendundeine Nacht - Erwachsene Märchen aus 1001 Nacht
fließt; auch findest du hier allerlei Wohlgerüche, Rosen, Kamillen und Myrte.«
Die Alte klopfte an; es ward sogleich geöffnet. Als wir in die Wohnung traten, sahen wir brennende Wachskerzen in zwei Reihen von der Türe bis oben zum Saal aufgestellt. Auf dem Boden lag ein seidener Teppich; wir gewahrten einen Thron von Elfenbein, mit Edelsteinen besetzt, mit einem atlasnen, mit Perlen bestickten Vorhange. Auf einmal kam ein Mädchen hinter diesem hervor, o Fürst der Gläubigen, schöner als der Vollmond; ihre Stirn leuchtete wie der heranbrechende Morgen, wie ein Dichter sagte:
»Sie ist zart gebaut, sanft und schmachtend sind ihre Blicke. Alles Schöne und Liebliche ist in ihr vereint, die Locken auf ihrer Stirne gleichen der Nacht der Sorgen, die über den Tag der Freuden sich verbreitet.«
Das Mädchen sprach, als es hinter dem Vorhange hervortrat: »Sei tausendmal willkommen, teure Schwester!« Auch fügte sie noch folgende Verse hinzu:
»Kennte das Haus den, der es besucht, es würde sich freuen und die Stelle deiner Füße küssen; es würde dann mit der Zunge des Geistes sagen: seid mir willkommen, ihr edlen, vornehmen Gäste!«
Sie kam mir dann entgegen und fügte hinzu: »O meine Dame! ich habe einen Bruder, schöner als ich; er hat dich auf einem Feste gesehen, und dein Anblick hat schlimme Folgen für ihn gehabt, weil sowohl dein Rang, als deine Schönheit und Liebenswürdigkeit vollkommen sind. Da er gehört hat, daß du eine der Vornehmsten unter dem Volke bist, und er ebenfalls ein großer Herr unter den Seinigen, so will er mit dir einen Bund schließen und dein Mann werden.« Ich antwortete: »Wohl, ich sehe kein Hindernis, seinen Willen zu erfüllen.« Ich hatte dies kaum gesagt, o Fürst der Gläubigen! da klatschte sie in die Hände; es öffnete sich ein Kabinett, und ein Mann in frischer Jugend, von hübscher Gestalt und schönem Wuchse trat heraus, sauber gekleidet, mit Augenbrauen wie ein Bogen und herzbezaubernden Augen, wie ein gewisser Dichter sagte:
»Sein Gesicht gleicht dem Monde und trägt Spuren der Glückseligkeit wie einen Perlenschmuck.«
Sobald ich ihn sah, liebte ich ihn schon; er setzte sich neben mich, wir unterhielten uns miteinander. Dann klatschte das Mädchen wieder: da öffnete sich noch einmal ein Kabinett; es kam der Kadi mit vier Zeugen heraus, sie setzten sich, um den Ehekontrakt zu schreiben; der Jüngling machte zur Bedingung, daß ich niemanden außer ihm anblicken sollte; ich mußte sogar einen hohen Eid deshalb schwören. Ich freute mich sehr und konnte kaum die Nacht erwarten, um allein mit ihm zu sein. Ich brachte auch wirklich bei ihm die schönste Nacht meines Lebens zu. Des Morgens stand er auf und behandelte mich mit Ehrerbietung, wir liebten einander und lebten einen ganzen Monat in höchster Seligkeit. Da ich dann eines Tages meinen Mann um Erlaubnis bat, einen besonders schönen Stoff zu kaufen, und er mir es erlaubt hatte, ging ich auf den Markt mit einer alten Frau und zwei Sklavinnen. Als ich in das Haus, wo Seidenstoffe verkauft werden, kam, sagte mir die Alte: »Hier wohnt ein junger Kaufmann, der ein großes Lager hat, und bei dem du alles findest, was du nur verlangst. Niemand hat schönere Waren, als er; komm, wir wollen uns zu ihm setzen, um bei ihm einzukaufen.« Wir setzten uns zum Kaufmann, der ein junger, hübscher, geschmeidiger Jüngling war, wie ein Dichter von einem solchen sagte:
»Er ist leicht gebaut, durch seine Haare und sein Gesicht wandelt die Welt zugleich in Finsternis und Licht; verkennt auch nicht das braune Fleckchen auf seinen Wangen, denn ihr findet dasselbe an jeder Anemone.«
Ich sagte zur Alten: der Kaufmann möge uns seine Waren zeigen; sie fragte mich, warum ich’s nicht selbst sagen wollte, und ich antwortete: »Weißt du nicht, daß ich geschworen habe, mit keinem fremden Manne zu sprechen?« Die Alte sagte es dem Kaufmanne, und dieser holte seine Waren herbei, von denen mir manches gefiel. Ich sprach zur Alten wieder: »Frage ihn, wie teuer dies ist?« Als sie ihn fragte, antwortete er: »Dies verkaufe ich nicht für Silber und nicht für Gold, nur für einen Kuß auf ihre Wangen geb ich’s her.« Ich rief: »Bewahre mich Gott davor!« Da sagte die Alte: »O meine Gebieterin, du brauchst ihn ja ebensowenig zu sprechen, als er dich, du neigst nur dein Gesicht zu ihm hin, und er gibt einen Kuß und weiter nichts; folge mir nur!« Ich dachte: Dabei ist nichts Böses, und neigte ihm meine Wangen hin, da biß
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