Tausendundeine Nacht mit dir
deine ehrliche Meinung.“
„Es ist ein starkes, aussagefähiges Werk.“
Seine Worte machten sie sehr glücklich. So lange hatte sie auf diese Gelegenheit gewartet. „Es ist Allies Arbeit. Sie hatte diese Vision, und sie hat den größten Teil der Arbeit geleistet. Ich wollte nur sicherstellen, dass ihr Film gezeigt wird. Danke für deine Hilfe.“
Carlo sah sich in dem nun beinahe völlig leeren Kinosaal um. „Ich wünschte, der Raum wäre größer. Viel mehr Menschen müssenüber das Schicksal dieser Kinder in Kenntnis gesetzt werden.“
„Vielleicht wird das eines Tages möglich sein.“
Aufmerksam betrachtete er Estrella. „Das Wohl der Mädchen liegt dir sehr am Herzen, nicht wahr?“
„Natürlich. Es sind so wunderschöne Kinder, aber sie haben keine Zukunft, wenn wir ihnen nicht helfen. Diese Mädchen haben ein besseres Leben verdient. Sie brauchen ein Zuhause, eine Ausbildung, gesundes Essen und vor allem – Liebe.“
„Kann man sie adoptieren?“
„Es ist nicht einfach, Kinder aus Indien zu adoptieren, und es wird niemals gelingen, für alle Mädchen neue Eltern zu finden. Also ist es notwendig, Hilfsfonds zu gründen, um den Kindern vor Ort zu helfen. Wir benötigen Lehrer, Bücher, Medizin, Lebensmittel und Kleidung. Es gibt so unendlich viel zu tun.“
Carlos Gesichtsausdruck wurde weich und zärtlich. „Und du willst das alles schaffen.“
„Ja.“
Liebevoll strich er Estrella eine Haarsträhne aus der Stirn. „Du kannst nicht die ganze Welt retten.“
Die Berührung seiner Hand tat unendlich gut, aber seine Worte machten ihr das Herz schwer. „Warum nicht?“
Zum Glück lachte er sie nicht aus, sondern schüttelte nur langsam und mitfühlend den Kopf. „Darauf kann ich dir keine Antwort geben. Du hast einen langen Tag hinter dir. Ich möchte dich zum Abendessen einladen.“
Eigentlich müsste sie diese Einladung ausschlagen. Aber das brachte Estrella nicht fertig. Sie war gern mit Carlo zusammen, und seine Unterstützung bedeutete ihr weit mehr, als sie bereit war, sich selbst einzugestehen.
Eingehend betrachtete sie sein gut geschnittenes Gesicht mit den steingrauen klugen Augen. Mit ihm an ihrer Seite war so vieles möglich, und er tat alles, um sie tatkräftig zu unterstützen. Er war für sie da. Welch ein wundervolles Gefühl!
Zum ersten Mal begegnete sie ihm völlig unbefangen. Es gab keinerlei Probleme oder Sorgen, auch keine Zweifel an seinen Absichten. „Das hört sich großartig an. Gern, Carlo.“
Sie gingen in ein kleines Restaurant, das versteckt in einer Gasse hinter den großen Hotels lag, abseits der bevölkerten Croisette. Später spazierten sie am Strand entlang zurück zum Carlton.
Der Mond spiegelte sich im Wasser, und die Wellen trugen leichteSchaumkronen, wenn sie im Sand ausliefen. Carlos Beispiel folgend streifte Estrella ihre hochhackigen roten Sandaletten von den Füßen, um barfuß neben ihm herzuschreiten.
Eine ganze Weile sagten sie beide kein Wort. Erstaunt stellte Estrella fest, wie gern sie in Carlos Gesellschaft war. Er vermittelte ihr einzigartige Erkenntnisse über das Leben und auch über sie selbst. Dieser Mann erschien ihr so stark, so bodenständig.
Ihr langes rotes Kleid mit beiden Händen anhebend, ging sie ein wenig tiefer ins Wasser hinein. Erfrischend prickelte es auf ihrer Haut. Sie wandte sich um und nahm die glitzernde Szenerie von Cannes mit den vielen weißen Pavillons in sich auf.
„Es ist wie in einem Film“, sagte sie, mit einer Hand auf den langen menschenleeren Strand mit der Stadt im Hintergrund deutend. „Man könnte hier am Strand doch einmal einen Film zeigen und im Anschluss eine Gala veranstalten. Kein Filmtheater kann es mit dieser Schönheit aufnehmen.“ Sie lachte ein wenig verlegen, als sie Carlo ansah. „Verzeih. Ich rede zu viel.“
„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich mag deine Gedanken, deine Ideen, und ich möchte alles über dich erfahren.“
„Aber vielleicht sage ich etwas Falsches.“
Er blieb stehen. „Was nützt ein noch so klarer Verstand, wenn man keine eigene Meinung hat? Und was fängt man mit seiner Meinung an, wenn man sie nicht ausspricht?“
Hinter einem schwachen Lächeln verbarg Estrella ihre Gefühle. „Sei vorsichtig. Ich habe eine ganze Menge Meinungen.“
„Gut.“ Carlo entfernte sich ein wenig vom Wasser, um sich dann auf dem weichen Sand niederzulassen. „Komm her zu mir. Ich war noch niemals in Argentinien. Warum erzählst du mir nicht von deiner
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