Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tausendundeine Stunde

Tausendundeine Stunde

Titel: Tausendundeine Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Suckert
Vom Netzwerk:
„Hör zu du kleine geile Sau, das muss jetzt schnell gehen. Stehe im Stau und jeden Moment kann’s gleich weiter gehen. Bläst du mir einen?“
    Ich stellte mir den Typ in seinem Auto vor. Eine Hand am Lenkrad, die andere in der Hose. Wie würde ein Unfallbericht aussehen, wenn es in so einem Moment krachen würde? Das Ganze war in 45 Sekunden erledigt.
    Ich grinste Lara an: „Soviel zum Thema Entführung ins Reich der Sinne.“
    Sie zuckte lässig mit der Schulter und antwortete mit einem selbstgefälligen Lächeln: „Ja, solche Männer gibt es auch. Aber über kurz oder lang wirst du deine Stammkunden haben, die bringen dir dann das Geld.“
    Ich nickte und wollte nun wissen, warum Kennwörter an die Kunden vergeben wurden.
    Lara klärte mich mit gewichtiger Miene auf: „Wenn du einen Anruf auf der Nulleinhundertneunziger bekommst, muss deine erste Frage immer dem Kennwort gelten. Die Kunden vergessen es oft gleich zu Beginn des Gesprächs zu sagen. Sie melden ihr Gespräch zum Ortstarif an und mit dem Kennwort erfahren sie, dass sie auf einer Nulleinhundertneunziger Nummer das Gespräch führen werden. Du nennst ihnen ja die Nummer. Sie wissen also, dass höhere Gebühren auf sie zukommen. Vergiss bitte nie, nach dem Kennwort zu fragen, denn hin und wieder kommen Kontrollanrufe vom Telefonnetzbetreiber. Eine rein rechtliche Angelegenheit also.“
    Das leuchtete mir ein, albern fand ich es trotzdem. Wenige Minuten später war tatsächlich meine Phantasie gefragt.
    „Hallo, ich habe deine Nummer von einem Kollegen. Von dem weiß ich auch, dass ich ein Kennwort brauche, gibst du es mir?“ Ich nannte es ihm. Kurz drauf klingelte es auf der Nulleinhundertneunziger Nummer.
    „Hab grad bei dir angerufen. Also, ich bin der Erwin. Machst du auch Windelsex?“
    Ich zögerte, hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, was der Mensch da am anderen Ende der Leitung von mir erwartete. Aber ich sagte ihm, dass ich selbstverständlich Windelsex mache und, dass ich das sogar bevorzuge.
    „Aber erst einmal brauche ich dein Kennwort.“
    Er nannte es mir und übernahm dann glücklicher Weise das Gespräch. „So und nun musst du mir einen Klaps auf den Popo geben, mich dick einpudern und windeln.“
    Irgendetwas schmatzte laut.
    „Hör mal, Erwin, sitzt neben dir eine Katze und leckt ihren Futternapf aus? Oder was schmatzt da so?“
    Ich erfuhr, dass es sein Schnuller war, an dem er nun genüsslich saugte.
    „Singst du mir nun noch ein Lied vor, damit ich besser schlafen kann?“
    Ich zog meine Augenbrauen zusammen. Aber dann sang ich los. „Der Mond ist aufgegangen, die kleinen Sternlein ...“.
    „Nein, das will ich nicht, uah, uah, das will ich nicht“, schrie Erwin.
    „Höre auf zu schreien, ich singe ein anderes Lied.“
    Aber Erwin schrie weiter wie ein garstiges Kind. Endlich begriff ich, er wollte wieder einen Klaps auf den Hintern. Also zog ich ihm die Windelhose runter.
    „Hat du wieder eingekackert, du böser, böser Junge?“, fragte ich in Babysprache, klatschte nun ordentlich in die Hände und schimpfte noch ein wenig mit ihm. Dann musste ich ihn nochmals pudern, erneut windeln und zu guter letzt das Lied von der Biene Maja singen.
    Erwin war zufrieden und versprach bald wieder anzurufen. Auch Lara war zufrieden.
    „Wow, das hast du richtig gut hingekriegt. Das könnte dein erster Stammkunde werden. Solche Männer brauchen uns. Oder möchtest du mit einem Kerl liiert sein, dem du ’ne Windelhose anziehst und den Hintern versohlst?“
    Das wollte ich nicht. Ich wollte eigentlich gar nicht mehr mit einem Mann liiert sein. Jedenfalls nicht fest.
     
    Ich hatte mich schnell eingearbeitet und die Möller, meine Chefin, war mit mir höchst zufrieden. Für meine Kunden war ich Rebecca. Mit langen naturroten Haaren und natürlich Anfang zwanzig. Seltsamer Weise riefen mich hauptsächlich Männer mit den verrücktesten Phantasien an. Das hatte allerdings den Vorteil, dass sie mir treu waren. Mit ihren Ehefrauen konnten sie diese Phantasien nicht ausleben. Aber der Nachtteil war, dass sie mich höchsten ein- bis zweimal im Monat anriefen.
    Monat für Monat kämpfte ich, um das vorgegebene Soll von dreitausend Minuten zu schaffen. Lara hatte diese Vorgabe meistens schon Mitte des Monats erfüllt. Sie hatte sich als Geschichtenerzählerin profiliert. Die junge Frau, auf der Suche nach der wahren Liebe, die sie nun endlich gefunden hat, in ihrem Kunden. „Hör mal Schatz, leider wird das vorläufig nichts mit unserem

Weitere Kostenlose Bücher