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Tausendundeine Stunde

Tausendundeine Stunde

Titel: Tausendundeine Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Suckert
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Treffen. Ich habe dir doch von meiner todkranken Mutter erzählt. Ich will sie nicht in ein Heim geben. Das verstehst du doch. Aber unsere Zeit wird kommen, glaube fest daran. Und solange müssen wir uns also darauf beschränken, miteinander zu telefonieren. Bussi.“ Solche und ähnliche Geschichten hatte sie für jeden ihrer Stammkunden parat, die bereitwillig mit ihr mehrere Stunden telefonierten. Manche von ihnen brachten sich somit um Hab und Gut.
    „Lara“, sagte ich, „hast du nicht manchmal Skrupel? Ich meine die Typen sind in dich verknallt und du spielst nur mit ihnen. Du ziehst sie bis aufs Hemd aus und lässt sie dann frierend stehen. Gestern hat dein Toni auf der Anmeldung gejammert, dass du mit ihm nichts mehr zu tun haben willst. Der hat mir wirklich das Ohr abgekaut. Sein Anschluss ist inzwischen gesperrt, erzählte er mir, aber er will sich jetzt wohl ein Handy zulegen.“
    „Na hoffentlich tut er das bald. Das werden dann zwar kurze Gespräche, aber Kleinvieh macht auch Mist. Und warum sollte ich Bedenken haben? Wenn die so blöd sind, pha.“
    Sie saß vor mir auf dem Schreibtisch mit übereinander geschlagenen Beinen. Ich wusste nichts zu entgegnen, außer einem Achselzucken und einem kurzen „Hm.“
     
    „Was ist denn mit deiner Wade passiert?“, fragte sie und nickte mit ihrem Kopf in Richtung meines linken Beins.
    „Das habe ich meinem Sklaven Daniel zu verdanken. Eigentlich sollte der Lackledergürtel den Absatz meines Schuhes treffen, damit es ordentlich knallt, wenn ich ihn wunschgemäß auspeitsche. Aber leider habe ich das Ziel verfehlt. Tut auch ziemlich weh. Meinst du ich könnte das als Arbeitsunfall melden?“
    Sie lachte schallend.
    „Kannst die Chefin ja mal fragen. Aber dann will ich auch meinen Rock ersetzt haben. Der hat sich letztens in dem alterschwachen Ventilator verfangen. Das hatte so geschnarrt, dass der Kunde am anderen Ende des Telefons dachte, ich benutze einen Turbovibrator. Jedenfalls feuerte er mich immerzu an, bis er schließlich wie ein altersschwacher Hund japste.“
    Jetzt lachte ich laut, solange, bis mir Tränen in den Augen standen.
    „Männer kann man ganz schön verarschen“, sagte ich, nachdem ich mich endlich beruhigt hatte.
    „Na jedenfalls die, die hier anrufen. Ich würde mich nie mit so einem Mann einlassen. Nichts gegen Phantasien. Aber die lebe ich doch lieber mit meinem Partner aus. Oder?“ Das sagte sie fest und bestimmt und da sie länger im Geschäft war als ich, wusste sie sicher, wovon sie sprach.
    Ich schaute mich um. Überall standen Hilfsmittel für unsere besonderen Kunden. Eine Schüssel voll Wasser mit einem Schwamm. Den benutzten wir für unsere Natursektliebhaber. Ich nahm ihn und drückte ihn aus.
    „Hört sich das wirklich so an, als machten wir gerade Pipi? Oder hier, die Plastiktüte. Imitiert die das Geräusch eines Gummimantels? Hört sich der Ventilator wirklich wie ein Vibrator an? Wozu dient eigentlich der alte Regenschirm da?“
    „Hat der Regenschirmfetischist noch nie bei dir angerufen“, fragte mich Lara.
    „Nein“, antwortete ich „was treibt ein Mann mit einem Regenschirm. Da versagt bei mir alle Phantasie.“
    „Der ist harmlos. Wenn der anruft, stelle ich immer den Lautsprecher an. Du kannst darauf wetten, dass er dann kommt, wenn du den Regenschirm aufspannst. Immer beim Einrasten des Schirms. Leider sind das kurze Gespräche, denn er fragt gleich zu Beginn des Telefonats, ob ich den Schirm schon griffbereit habe.“
    „Der kommt, wenn du den Regenschirm aufspannst? Unglaublich. Na egal, bei dem verstehe ich aber, dass er unsere Dienste beansprucht. Wie soll er schließlich einarmig einen Schirm aufspannen?“
    „Bingo“, sagte sie nun und schnipste mit dem Finger. „Ach, ehe ich es vergesse: Morgen stellt sich eine neue Mitarbeiterin vor. Dann sind wir zu dritt und können auch mal länger frei machen. So, ich mache jetzt los. Ich wünsch dir eine schöne Schicht, Rebecca.“
    Sie umarmte mich, dann ging sie und ließ die Tür krachend zufallen.
    Am nächsten Nachmittag stellte sich die Neue vor. Sie machte einen netten Eindruck.
    „Sie hören jetzt der Rebecca ein bisschen zu und dann probieren Sie es selbst einmal“, bestimmte die Chefin.
    „Hast du dir schon einen Namen ausgewählt?“, fragte ich die Neue.
    „Claire“, antwortete sie mit schüchterner Stimme.
    Ich nickte anerkennend. „Das klingt nett. Claire, da denke ich an etwas Zierliches, Blondes, höchstens zwanzig. Magst du

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