Taxi 503 (German Edition)
Klaus Miebach an Abigail Warnke, geborene Bartholdy. Laut der Aussage Ihrer Tochter begann der Missbrauch mit dem zehnten Lebensjahr“, fuhr der Staatsanwalt dann fort. „Was können Sie uns dazu sagen?“
Eva Bartholdy senkte den Blick.
‚Rede endlich!’ , schrie Marc sie in Gedanken an. Er sah, dass sie nervös ihre Hände knetete, dann schaute er hinüber zu Abby, die ihrer Mutter einen schon fast flehenden Blick zuwarf.
„Ich habe davon nichts mitbekommen“, wiederholte sie fast originalgetreu ihre Aussage von eben.
„Wie sollen wir uns das vorstellen? Der Vorwurf steht im Raum, dass der Missbrauch über vier Jahre lang andauerte. Wollen Sie uns das ernsthaft glauben machen?“
„Ich… ich… also, wir haben immer viel Alkohol getrunken. Ich habe es nicht bemerkt“, antwortete Abbys Mutter leise.
„Sie waren also betrunken. Jeden Abend? Sind Sie Alkoholikerin? Wie konnten Sie sich dann um Ihre Tochter angemessen kümmern? Sie müssen darauf nicht antworten, wenn Sie sich selbst dadurch belasten.“
Die Fragen prasselten jetzt auf Eva Bartholdy ein.
„Ich habe mich nicht gut um sie gekümmert. Das muss ich leider zugeben. Als… an einem Abend habe ich meinen Lebensgefährten vermisst, also er war nicht in seinem Bett. Ich habe ihn gesucht und ihn im Bett von Abby gefunden. Er hatte sie im Arm, beide waren nackt und schliefen“, jetzt flüsterte sie fast. „Da war Abby aber schon vierzehn.“
„Schon vierzehn?“, die Stimme des Staatsanwaltes triefte vor Hohn, dafür erntete er einen Rüffel vom Richter. „Mit anderen Worten: Sie können nicht ausschließen, dass der Missbrauch Ihrer Tochter schon viel früher begonnen hatte?“
„Ich habe es nicht bemerkt!“, wiederholte Eva Bartholdy jetzt eindringlicher.
„Können Sie es ausschließen?“
„NEIN!“, schrie sie.
Abby kämpfte gegen ihre Tränen an. Ihre Mutter tat ihr sehr leid, aber sie wusste selbst nur zu gut, wie wichtig es jetzt war, dass die Wahrheit ans Licht kam.
„Ich… ich habe mich sofort von ihm getrennt, als ich die beiden entdeckt hatte“, sagte sie dann heiser.
„Und warum haben Sie ihn nicht angezeigt?“
„Ich hatte Angst, dass man mir Abby wegnimmt, wenn alles rauskommt. Weil ich getrunken habe… und so…“, stammelte Eva Bartholdy.
„Und warum haben Sie Ihrer Tochter wieder zugemutet, mit diesem Mann unter einem Dach zu wohnen? Ich muss ehrlich eingestehen, dass mir dafür wirklich jegliches Verständnis fehlt, eine Minderjährige so einer Situation auszusetzen“, schüttelte der Staatsanwalt den Kopf.
„Er ist doch mein Lebensgefährte“, rechtfertigte Eva Bartholdy sich. „Und er hat versprochen, Abby nie mehr anzurühren. Und das hat er auch nicht, er hat sich daran gehalten, nicht wahr, Abby, das stimmt doch?“, sie schaute Abby jetzt direkt an.
„Ihre Tochter hat schon ihre Aussage gemacht, Frau Bartholdy. Es ist Ihnen auch nicht gestattet, ihr Fragen zu stellen“, wies der Richter sie zurecht.
„Es gibt auch ein psychologisches Gutachten über Frau Bartholdy“, erklärte der Staatsanwalt jetzt.
Dann trug er vor, was dort drin stand. Er berichtete etwas von ‚emotionaler Kälte’ aufgrund der schwierigen Kinder- und Jugendzeit von Eva Bartholdy. Und von massiven Suchtproblemen und der Hörigkeit bezüglich Klaus Miebach.
Damit endete der erste Verhandlungstag, Marc nahm seine völlig verstörte Frau erst mal fest in die Arme.
„Du hast dich toll geschlagen“, flüsterte er in ihr Ohr.
„Meinst du, es hat was genützt?“, fragte Abby ihn hoffnungsvoll.
„Ganz bestimmt“, nickte Marc, dann wandte er sich an Angelika Wiese. „Wie ist Ihre Einschätzung?“
„Läuft gut. Sie waren glaubwürdig, Ihre Mutter auch. Das Ganze hier wird ein schnelles Ende finden“, lächelte sie ihnen zu.
Marc und Abby konnten das Gerichtsgebäude durch einen anderen Ausgang verlassen. Doch auch hier warteten Reporter, die Fragen stellten und viele Fotos machten. Die Neuigkeit, dass Marc und Abby verheiratet waren, hatte sich in Windeseile auch zu ihnen herumgesprochen, und man löcherte sie bezüglich der Hochzeit.
Marc bat die Journalisten um Verständnis, dass man jetzt dazu nichts sagen werde, und atmete auf, als das bestellte Taxi endlich kam.
Abby sank erschöpft in die Polster des Wagens. Sie schloss die Augen, spürte, dass sie zitterte. Der Tag hatte sehr an ihren Kräften gezehrt, sie wollte schlafen, doch wusste genauso gut, dass sie dafür
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