Taxi
man das.
»Zwodoppelvier, Hütten dreiunddreißig für Himmler.«
Sofort brach mir der Schweiß aus und mein Puls begann zu rasen. Ich bestätigte:
»Hütten dreiunddreißig für Himmler. Danke Zwodoppelvier«
»Danke Zwodoppelvier.«
»Bist du bekloppt?«, fuhr ich Udo an, »Ich wollte die Tour überhaupt nicht haben!«
»Hütten, das schaffst du! Klar schaffst du das. In sieben oder acht Minuten bist du da.«
Er stieg aus, und ich kurvte einmal um den Parkplatz vor dem Bahnhof, bog rechts in die Max-Brauer-Allee und dann links in die Ehrenbergstraße. Ich trat das Gaspedal durch, aber dann geriet ich in den Feierabendverkehr und schob mich mit den anderen Autos quälend langsam die Reeperbahn hoch. Ich knirschte vor Anspannung mit den Zähnen. Wenigstens musste ich nicht im Stadtplan nachsehen. Die Straße Hütten lag ganz in der Nähe meiner Wohnung. Am Millerntor zog ich über eine bereits rote Ampel und raste auf einer freien Fahrspur in die Ost-West-Straße. Dann fiel mir ein, dass ich ja eigentlich in den Holstenwall hätte abbiegen müssen. Nur keine Panik. Das machte nichts. Ich konnte ja immer noch auf Höhe des Michels verboten links abbiegen. Doch zu meinem großen Entsetzen liefen genau in diesem Augenblick massenhaft Menschen auf die Straße – wo kamen die denn plötzlich alle her? – fassten sich an den Händen und bildeten eine Kette, die sich quer über die Ost-West-Straße zog. Ich bremste hart. Rechts, links und hinter mir stauten sich die Autos und keilten mich ein. Genau in diesem Moment waren die sechs Minuten um. Ich schnappte nach Luft und stieg aus.
»He«, sagte ich betont ruhig zu den Menschen in der Menschenkette, die mit dem Rücken zu mir standen, »ihr müsst mich mal eben durchlassen.«
Ein junger Mann mit kurzen, rot gefärbten Haaren und einem dummen, begeisterungsfähigen Gesicht drehte sich zu mir um, ohne die Hände eines Jeans-Mädchens und eines älteren Mannes in einer Wildlederjacke loszulassen.
»Nein, du wartest hier«, antwortete er mit der Befriedigung des dominierenden Individuums, das Herrschaftsverhältnisse bisher grundsätzlich abgelehnt hatte, jetzt aber gerade auf den Geschmack kam. Ich würde zu spät kommen. Oh Gott, es war ja bereits zu spät. Ich konnte der Funkerin noch nicht einmal sagen, dass die Menschenkette schuld war, denn ich hätte ja eigentlich schon längst dort sein sollen. Udo-Dreidoppelsieben war schuld. Dieser dumme Schnauzbartträger! Wie kam der dazu, einfach auf meine Funkgabel zu hauen? Wenn ich am Bahnhof Altona stehen geblieben wäre, hätte ich jetzt schon längst einen Anläufer gehabt. Wahrscheinlich zum Flughafen.
»Verdammt«, schrie ich, »das kann doch wohl nicht wahr sein. Ihr mit eurem Scheiß-Frieden!«
Die Kettenmenschen sahen mich angeekelt an und wandten dann die redlichen Gesichter wieder ab.
»Ihr Idioten«, rief ich, »ich muss zu einer schwangeren Frau.«
»Sag das doch gleich.«
Tatsächlich ließen sie mich durch, woraufhin sofort auch noch zwei weitere Autos mit durchdrängelten und die ganze Ost-West-Straße wieder in Bewegung kam. Die Friedensdemonstranten irrten zwischen den Autos herum und versuchten, ihre Kette wieder zu schließen, aber die Autofahrer dachten natürlich gar nicht daran, sich ihre freie Fahrt für freie Bürger noch einmal nehmen zu lassen. Jetzt war ich vier Minuten über der Zeit. Wenn ich Glück hatte, ging das noch glimpflich ab. Schon rumpelte ich über das Kopfsteinpflaster der Straße Hütten. Ich musste nur noch die Hausnummer finden. Die Straße war rechts und links zugeparkt, ein Auto hinter dem anderen. Wahrscheinlich gehörten die alle den Friedensdemonstranten. Es wurde immer enger. Und natürlich kam mir auch noch ein Auto entgegen. Eine rot-schwarze Charleston-Ente. Und natürlich saß da eine Frau drin. Laut irgendeiner Statistik sollen Frauen ja die besseren Autofahrer sein. Weil sie weniger Unfälle verursachen. Eine völlig falsche Schlussfolgerung. Falls Frauen tatsächlich weniger Unfälle verursachen, liegt das natürlich nicht daran, dass sie souveräner Auto fahren und Situationen schneller und besser einschätzen können, sondern es ist eine Folge ihrer Feigheit. Diese Frau in ihrem erbärmlichen 2CV zum Beispiel hätte ja nun, wenn sie denn eine so gute Autofahrerin gewesen wäre, vorausschauend erkennen können, dass es gleich ziemlich eng werden würde, weil ihr nämlich ein Mercedes-Taxi entgegenkam. Sie hätte einsehen sollen, dass sie von der auf sie
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