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Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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meinem. Nach Schnaps roch er auch. Sofort wurde ich wieder wahnsinnig müde.
    »Oh, jetzt ist sie sauer. Bist du sauer?«
    Er ließ sich auf die Hinterbank zurückfallen.
    »Sie redet nicht mit mir. Ich glaub, sie ist sauer.«
    Ich atmete flach ein und wieder aus und fuhr los.
    »Hör auf, sie bläst schon«, sagte der neben mir. Dann merkte er, dass er ein zweideutiges Wort benutzt hatte, und verstummte verlegen.
    »Kann sie das denn? Kann sie ordentlich blasen?«, brüllte der von hinten, und sein Freund lachte erleichtert. Ich sah stur aus dem Fenster, konzentrierte mich auf das, was außerhalb des Taxis geschah. Bei VW Köster brannte noch Licht. Eine nagelneue Batterie wurde in einen Trabi versenkt. Ein Punker, die Kapuze tief in das Gesicht gezogen, die Hände fest in den Hosentaschen, brüllte auf seine drei riesigen Hunde ein. Am Fernsehturm stand ein Einkaufswagen von Penny. Ein Lastwagenfahrer suchte mit seinem Zwanzigtonner die Einfahrt zum Messegelände. Die Gerichtsgebäude. Die Musikhalle. Die engen Einbahnstraßen der Neustadt. Noch ein Trabant. Ein hellblauer. Ein junges Pärchen machte sich kichernd an dem Scheibenwischer zu schaffen. Erst dachte ich, sie wären dabei, den Scheibenwischer abzubrechen, aber im Vorbeifahren sah ich, dass sie bloß einen Snickers darunter klemmten. Ich hielt am Großneumarkt.
    »Und, na, was meinst du dazu?«, fragte der Trenchcoat von der Rückbank. Ich zuckte die Schultern. Ich hatte nicht einmal eine Ahnung davon, was sie die ganze Zeit geredet hatten.
    »Gib ihr ’n gutes Trinkgeld«, sagte er zum vorne sitzenden Trenchcoat. »Ich glaub, sie ist sauer. Du bist sauer, stimmt’s?«
    Ich war so müde, dass ich mir ohne Gegenwehr eine Mark und achtzig Pfennige schenken ließ. Dann kreiste ich rund um den Gänsemarkt und den Karl-Muck-Platz, bis es neben mir zweimal laut hupte. Ich schaute hinüber. Vier fette orientalische Bengel saßen in einem schwarzen Mercedes, zeigten mit dem Finger auf mich, lachten und riefen etwas. Ich wendete und brachte den Jetta zur Firma zurück. Dann fuhr ich mit dem Fahrrad nach Hause. Nach zwei Kilometern musste ich schieben. Der Vorderreifen war schon wieder platt. Es kam mir gemein und sinnlos vor. Ich hatte den Reifen sehr sorgfältig geflickt und den Reifenmantel zweimal abgetastet, ob noch irgendwo ein Dorn steckte. Vielleicht lag es an der Felge. Ich biss die Zähne zusammen und schob das Rad nach Hause. Am Fernsehturm begegnete ich dem Punker mit den drei Hunden. Die Hunde verstellten mir den Weg, und der Punker fragte, ob ich eine Mark hätte. Ich gab sie ihm.
7
    Das Telefon klingelte. Ich lag im Bett und schlief noch halb. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war. Inzwischen waren meine Augen so schlecht, dass ich ohne Brille nicht einmal die Wanduhr ablesen konnte. Das Telefon klingelte zum zweiten Mal. Meine Mutter wusste genau, dass ich nachts arbeitete. Trotzdem rief sie immer am Vormittag an, wenn ich garantiert noch schlief. Da sie mich bloß anrief, um mir mitzuteilen, dass meine Wäsche fertig war, konnte ich natürlich nichts sagen. Ich stand auf und ging barfuß dem Geräusch nach. Ich fröstelte. Aus Kostengründen heizte ich grundsätzlich nie vor Dezember. Mit dem vierten Klingeln fand ich das Telefon und hob den Hörer ab.
    »Ja?«
    »Hallo. Ich bin’s. Marco. Leg bitte nicht gleich wieder auf.«
    Jetzt war ich wach. Ich trug das Telefon zum Bett und kroch wieder unter die Decke.
    »Hallo? Bist du noch dran?«
    »Hmmm.«
    »Ich würde mich gern mit dir treffen. Ich weiß, es ist lange her, aber mir macht das immer noch zu schaffen. Und ich will nicht, dass du mich für alle Zeiten für ein Schwein hältst. Ich möchte dir gern erklären, warum das damals passiert ist.«
    »Selbstverständlich halte ich dich für ein Schwein«, sagte ich. »Und ich finde es gut, dass es dir immer noch zu schaffen macht. So soll es sein. Und ich glaube auch nicht, dass es da viel zu erklären gibt. Ich weiß schon, warum du es getan hast.«
    »Nein, weißt du nicht. Gib mir bloß eine Stunde. Wir brauchen uns ja nicht bei mir zu treffen. Wir können in irgendein Café oder eine Kneipe gehen – falls du Angst davor hast, mit mir allein zu sein.«
    »Ich habe keine Angst vor dir«, sagte ich, »davon träumst du doch. Meinetwegen können wir uns bei dir treffen.«
    »Gut. Wann passt es? Morgen?«
    »Meinetwegen morgen.«
    »Okay. Also morgen Abend, ja? Die Adresse ist die alte geblieben. Bist du eigentlich immer noch mit diesem

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