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Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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Dietrich zusammen?«
    »Was geht das dich an?«
    »Also dann bis morgen Abend. Gegen acht, ja?«
    »Ja«, sagte ich, und dann duschte ich erst mal.
8
    Kurz vor acht kam ich in der Schanzenstraße an, konnte aber keinen Parkplatz finden und musste den Jetta schließlich in der Sternstraße abstellen. Es regnete. Schwarzes, glitschiges Laub lag auf der Straße. Ich hätte andere Stiefel anziehen sollen, mit den glatten Sohlen kam ich ins Rutschen. Außerdem hätte ich die Kontaktlinsen nicht einsetzen sollen, sie scheuerten wie Schmirgelpapier. Die Tür des Mietshauses war wieder nur angelehnt. Im Treppenhaus roch es feucht und muffig. Kaum hatte ich an Marcos Tür geklingelt, öffnete er schon. Er trug sein weißes Hemd mit den aufgekrempelten Ärmeln. Auch sein verwirbelter Haarschnitt hatte sich nicht verändert. Es kam mir vor, als hätte ich ihn erst letzte Woche besucht. Ich musste mir Mühe geben, abweisend auszusehen.
    »Danke, dass du gekommen bist.«
    Wie klein er war. Allerdings hatte ich auch die Stiefel mit den höchsten Absätzen angezogen. Ich folgte ihm in sein halbdunkles Wohnzimmer. Auf dem Boden leuchteten die drei Kugeln. Die einzige Neuerung war ein lackierter Baumstumpf neben dem Bett. Darauf standen eine Flasche und Gläser.
    »Ich habe einen sehr guten spanischen Rotwein. Magst du?«
    »Nein. Seit ich Taxi fahre, kann ich keinen Rotwein mehr sehen. Die Penner trinken das immer. Du kannst mir den besten und teuersten Rotwein vorsetzen – für mich ist das der Geruch von Obdachlosigkeit und Erbrochenem.«
    »In der Küche hab ich noch Weißen«, sagte Marco und ging hinaus.
    Ich setzte mich nicht. Ich hatte vor, mir Marcos Entschuldigung im Stehen anzuhören. Ich behielt auch meine Lederjacke an. Marco kam zurück, schenkte ein Weinglas voll und reichte es mir. Die Flasche stellte er zu der anderen auf den Baumstumpf. Ich trank einen Schluck.
    »Hast du inzwischen schon deinen Doktortitel?«
    »Noch nicht. Nächstes Jahr, wenn’s klappt.«
    Schweigen. Marco kratzte mit dem Daumennagel am spanischen Flaschenetikett, dann kam er zu mir herüber und baute sich dicht vor mir auf.
    »Na, dann leg mal los«, sagte ich.
    Marco sah zu mir hoch.
    »Ich finde es schrecklich, dass ich dich geschlagen habe, und ich will nicht, dass das noch länger zwischen uns steht. Es tut mir wahnsinnig leid. Es hätte nicht passieren dürfen, gar keine Frage. Aber ich denke, du weißt auch nicht, was das mit mir gemacht hat, wenn du erst dreimal die Woche vor der Tür gestanden hast und dann wieder zehn Tage gar nicht.«
    Um mich anzusehen, musste er die ganze Zeit den Kopf in den Nacken legen. Seine Augen waren leicht zusammengekniffen, aber davon abgesehen, schien ihm unser Größenunterschied viel weniger zu schaffen zu machen als mir. Ich bereute schon, dass ich mich nicht gesetzt hatte.
    »Weißt du, was ich denke«, sagte ich und rührte mit dem kleinen Finger im Weinglas, »ich denke, du hast mich bloß hierher bestellt, weil du wieder mit mir ins Bett willst. Warum erst jetzt?«
    »Nein«, sagte Marco ernst, »ich habe dich hergebeten, um dich um Entschuldigung zu bitten. Aber es stimmt, dass ich dich immer noch gern habe. Ich musste immer wieder an dich denken, aber ich habe nicht gewagt, dich anzurufen. Ich dachte, dass ich kein Recht mehr dazu hätte.«
    »Hast du auch nicht. Oder glaubst du, ich fang noch einmal etwas mit jemandem an, der mich geschlagen hat? Zuerst diese blöde Nummer mit der Wäscheleine, und dann drischt du plötzlich wie ein Bescheuerter auf mich ein.«
    Marco sah zur Seite und zog die Lippen ein.
    »Es macht mir selber Angst, dass ich derartig die Kontrolle verloren habe. Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas tun würde. Und es ist seitdem auch nie wieder vorgekommen.«
    »Wahrscheinlich fehlte es an Gelegenheit«, sagte ich. »Oder gab es nach mir noch andere Frauen?«
    Dadurch, dass er mich geschlagen hatte, hatte er mir praktisch einen Freibrief ausgestellt, so gemein zu sein, wie ich nur wollte.
    »Ja, denk mal an. Aber es war keine dabei, die mich so wütend gemacht hätte wie du. Inzwischen ist mir ja klar, wie du drauf bist, aber als du damals gesagt hast, dass jemand wie ich keine Ansprüche stellen darf, bin ich einfach ausgerastet.«
    »Das habe ich gesagt? Das habe ich überhaupt nicht gesagt. Das war nur, weil meine Hände so wehtaten. Das war wie in einem chilenischen Folterlager. Das wurde immer schlimmer mit meinen Händen. Und ich wusste ja, was du hören wolltest.

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