Taxi
Büro:
»He«, sagte ich, »was soll das denn? Seit wann hat der Zwonullsechs ein Kreditkartenschild hinten drin?«
»Ich lass jetzt alle Taxis mit Kreditkartenannahme ausrüsten«, sagte Udo-Dreidoppelsieben.
»Ich fahr aber kein Kreditkarten-Taxi.«
»Ist doch ganz einfach«, sagte Udo. »Ich erkläre dir, wie das geht. Ist überhaupt nicht schwer zu begreifen.«
In diesem Augenblick kam auch Dietrich wieder.
»Gib mir ein anderes Taxi oder mach das Visa-Schild weg.«
»Ein Taxiunternehmen ist ein Serviceunternehmen«, sagte Udo. »Ich meine, wir leben davon, dass wir guten Service bieten.«
»Ich fahr keine Arschlöcher, die mit Visa Card bezahlen«, sagte Dietrich.
»Ah ja, und wenn das Arschloch dann an deinem Taxi vorbeigeht und lieber bei einem Taxi einsteigt, dass auch Kreditkarten nimmt?«
»Ist mir egal. Auf solche Typen lege ich überhaupt keinen Wert. Für fünf Mark achtzig um die Ecke fahren und dann die goldene American Express herausholen. Die wollen sich doch nur wichtig machen.«
»Ich fahr die auch nicht«, sagte ich. »Die sollen mit Bargeld zahlen. Was ist gegen Bargeld einzuwenden?«
»So ein Quatsch«, fuhr Udo auf. »Wie kann man bloß so unflexibel sein. Alle anderen Fahrer haben die Geräte anstandslos übernommen. Das war für die völlig normal.«
»Glaub ich nicht«, sagte Dietrich.
»Doch. Ihr seid die Einzigen, die sich so anstellen.«
»Jedenfalls … ich fahr so nicht«, sagte Dietrich.
»Okay«, sagte Udo. »Nusske!«
Nusske erschien. Er trug einen blauen Mechaniker-Overall, der ihm sehr gut stand.
»Wieso bist du denn hier?«, fragte ich. »Ich dachte, du hast deine eigene Werkstatt.«
»Ich helfe bloß aus«, sagte Nusske.
»Kannst du das Kreditkartenschild vom Viervierdrei wieder ausbauen?«, fragte Udo.
»Is’ gut«, sagte Nusske. Er ging mit Dietrich zu dem Mercedes.
»Und was ist mit meiner Kiste?«, fragte ich.
»Du fährst den Jetta so, wie er ist«, sagte Udo. »Du fährst so unregelmäßig, an dir verdien ich eh nichts. Du hast hier keine Ansprüche zu stellen!«
»Na gut«, sagte ich, »dann geh ich jetzt wieder nach Hause.«
»Dann tu das doch! Auf solche Scheißfahrer wie dich kann ich sowieso verzichten.«
Ich ging hinaus und schloss mein Fahrrad auf. Als ich wegfahren wollte, steckte Udo den Kopf aus der Tür.
»Komm zurück. Wir nehmen die Schilder wieder raus.«
10
»Wieso hast du dich nicht geweigert, den Jetta zu fahren?«, fragte Dietrich am nächsten Tag. Er kam gerade vom Imbiss zurück, hatte Hähnchen und Pommes Frites gekauft. Ich kniete auf dem Boden und reparierte mal wieder mein Fahrrad. Diesmal flickte ich nicht, sondern legte gleich einen neuen Schlauch ein, um auf Nummer sicher zu gehen.
»So schlecht war der gar nicht«, sagte ich, »der hat jedenfalls viel besser gezogen als die Mercedesse, die ich sonst fahre.«
»Du darfst dir auch nicht immer die letzten alten Schrottkisten andrehen lassen. Sag Udo, dass er dir endlich einen besseren Wagen geben soll, und zwar einen mit Automatik.«
»Wozu?«, fragte ich. »Ich will überhaupt keinen Automatikwagen. Ich bin doch nicht armamputiert.«
»Doch. Automatik ist viel besser. Sag Udo, dass er dir endlich einen Mercedes mit Automatik geben soll, sonst wechselst du die Firma.«
Er stellte die Tüte mit dem Essen auf den Tisch. Ich pumpte den Reifen auf, wischte mir die Finger an der Hose ab und langte in die Tüte.
»Jetzt noch nicht«, sagte Dietrich. »Ich hab vorhin gejoggt. Ich möchte noch duschen, bevor wir essen.«
»Ich muss aber gleich los«, sagte ich. »Ich kann nicht warten. Sonst krieg ich am Ende überhaupt kein Taxi mehr ab.«
»Kannst du nicht einmal fünf Minuten warten, um mit mir zusammen zu essen. Ich würde jetzt gern erst mal duschen. Ist das zu viel verlangt, dass du mal eben wartest, damit wir gemeinsam essen?«
Er hatte wieder diesen Blick.
»Okay«, sagte ich, »schon gut, schon gut.«
Dietrich ging mit seiner Imbisstüte nach oben in seine Wohnung. Ich hörte das Wasser rauschen. Er duschte lange und ausgiebig.
Ich baute das Vorderrad ein und stellte mir vor, wie ich Dietrich sein dämliches Hähnchen vor die Füße warf und einfach Schluss machte. Dann könnte ich wieder essen, wann ich wollte. Und was ich wollte. Ich würde nie wieder mit jemandem fest zusammen sein. Nie wieder. Stattdessen würde ich wieder jede Nacht Taxi fahren, ohne tagsüber irgendwelche verdammten Ausfahrten machen zu müssen, bei denen jemand Hunderte von Fotos von
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