Taxi
Und dann habe ich es schließlich gesagt. Damit das aufhört, habe ich es schließlich gesagt. Dabei hatte ich was ganz anderes gemeint.«
Marco kämmte sich mit gespreizten Fingern durch die Haare.
»Ich finde es selber ja auch nicht wirklich toll, dass ich kleinwüchsig bin.«
Ich sah auf ihn hinunter. Es machte mich verlegen, in diesem Moment auf ihn hinunterzusehen, aber wegsehen war auch nicht die Lösung.
»Das sollte jetzt auch keine Rechtfertigung sein«, sagte Marco. »Ich weiß, dass es für mein Verhalten keine Rechtfertigung gibt. Wie ist es – nimmst du meine Entschuldigung trotzdem an?«
»Naja«, antwortete ich, »es war ja auch nicht besonders schlau von mir, dich zu beschimpfen, während ich noch an dein Bett gefesselt war.«
Wir schwiegen beide. Ich betrachtete meine Stiefelspitzen, spürte aber, dass Marco mich musterte. Nach einer Weile konnte ich es nicht mehr aushalten.
»War’s das?«, fragte ich. »Dann kann ich ja jetzt wieder gehen.«
Ich stellte mein Glas auf den Baumstumpf und bewegte mich langsam Richtung Flur.
»Komm«, sagte Marco, »trink wenigstens noch ein Glas Wein mit mir.«
Ich blieb stehen.
»Wie wäre es, wenn du deine Lederjacke ausziehst?«
Ich zog meine Lederjacke aus und legte sie aufs Bett.
»Und jetzt tu mir einen Gefallen und setz dich hin.«
Ich setzte mich auf die Bettkante.
»Na endlich«, sagte Marco. »Ich hatte schon befürchtet, ich müsste mir den Schemel aus der Küche holen.«
Er setzte sich neben mich und legte sorgfältig eine Haarsträhne hinter mein Ohr.
»Wie geht es dir?«, fragte er. »Du siehst müde aus. Fährst du immer noch Taxi?«
»Es tut mir leid«, sagte ich, »ich wollte dich nicht kränken.«
»Aber das hast du getan. Die ganze Zeit. Du hast mich gedemütigt.«
»Ich kann nicht richtig mit dir zusammen sein«, sagte ich, »aber das hat nicht nur damit zu tun, wie groß du bist. Ich kann mit niemandem zusammen sein. Ich halte das nicht aus. Aber ich habe immer gern mit dir geschlafen.«
»Vielleicht sollten wir uns einfach auf unsere Kernkompetenzen beschränken«, sagte Marco, beugte sich zu meinen Füßen hinunter und zog mir einen Stiefel aus. Ich fasste unter sein Hemd. Die Rückenmuskeln fühlten sich gut an, stark und vertraut. Ich merkte, dass ich Marco vermisst hatte. Sogar seinen seltsamen Körper hatte ich vermisst.
9
Als ich mit dem Fahrrad bei Mergolan eintraf, sah ich hinter der beschlagenen Glasscheibe des Büros Dietrich und Taximörder mit verschränkten Armen vor dem Schreibtisch stehen, während Udo-Dreidoppelsieben von seinem Chefsessel aufgesprungen war und hin und her lief. Ich trat ein und wickelte meinen Schal ab. Dietrich blickte kurz auf und starrte dann wieder finster auf den Boden. Taximörder, der noch immer die Popperfrisur seiner Jugendjahre trug, pustete sich wütend die Haare aus dem Gesicht.
»Was wollt ihr eigentlich«, schimpfte Udo, »euch passt ja alles nicht. Da kann ich ja machen, was ich will. Ich meine, ihr wollt mir doch bloß das Leben schwermachen. Oder könnt ihr mir einen vernünftigen Grund nennen, warum ihr keinen Jetta fahren wollt?«
»Weil Jetta scheiße ist«, sagte Dietrich. Dann wandte er sich an mich. »Der hat doch tatsächlich vier neue Jettas gekauft, und jetzt wundert er sich, dass die keiner fahren will.«
Udo setzte sich wieder in seinen Chefsessel.
»Das sind gute Autos. Die fahren viel besser als die alten Mercedesse. Freu dich doch, dass du ’nen Neuwagen fahren darfst.«
»Ich find die gar nicht so schlecht«, sagte ich, weil Udo mir irgendwie leid tat. »Die fahren ohne weiteres 180 km/h. Habe ich ausprobiert. Und die beschleunigen auch gut.«
»Und die sehen scheiße aus«, sagte Dietrich.
»Ja, und wir fahren die nicht«, sagte Taximörder. »Und Taxis mit so ’nem Kreditkartenschild drin fahr ich auch nicht.«
»Okay«, sagte Udo-Dreidoppelsieben und zwang sich zur Ruhe, »alles klar. Fahrt ihr nicht, braucht ihr auch nicht. Hier kriegt jeder seinen Wunsch erfüllt.«
Er nahm drei Taxischlüssel vom Haken und gab Taximörder einen davon. »Hier, der Einszwovier. Ist ein Mercedes und ist noch nicht mit Kreditkartenannahme ausgerüstet.«
Dietrich bekam den Viervierdrei, und als Letztes gab Udo mir meinen Schlüssel: »Hier, der Zwonullsechs.«
»Okay«, sagte ich und ging zu dem Jetta. An den hinteren Seitenfenstern des VWs steckten Plexiglasschilder mit den Firmenlogos von American Express, Visa und Mastercard. Ich ging wieder zurück ins
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