Taxi
mir knipste.
Endlich kam Dietrich mit nassen, nach hinten gekämmten Haaren wieder herunter. Auf zwei Porzellantellern balancierte er die kalten halben Hähnchen und die zusammengepappten Pommes Frites. Unter den Arm hatte er eine Flasche Cola und eine Flasche Hela-Ketchup geklemmt.
»Majewski war gerade bei mir. Der Journalist von oben, weißt du? Er hat mich gefragt, ob ich Lust hätte, mit ihm zu paddeln. Er will zum Wildwasserfahren.«
»Wieso will der mit dir Wildwasser fahren«, sagte ich neidisch. »Kennst du den etwa? Du kennst den doch gar nicht.«
Ich – ich paddelte gern. Ich war früher oft mit dem Boot auf der Alster gewesen. Aber mich fragte natürlich keiner. Immer schmissen sich die Leute bloß an Dietrich ran. Besonders die Männer. Dabei machte sich Dietrich überhaupt nichts aus Booten.
»Keinen Schimmer, warum der ausgerechnet mich gefragt hat. Das ist wohl irgendwie so ein einsamer Hund. Ich habe ihm auch gleich gesagt, dass das nichts für mich ist und dass er dich mal fragen soll. Wenn du Lust hast, sollst du morgen mal bei ihm klingeln.«
Ich nahm einen der Teller entgegen.
»Echt?«
»Ja. Ich fahr gleich zu Mergolan. Soll ich dich mitnehmen?«
»Nee«, sagte ich, »ich will mein Fahrrad ausprobieren, ob der Schlauch endlich hält.«
11
Majewskis Wohnung lag zwei Stockwerke über Dietrichs. Es war sehr hell darin. Alle Gardinen waren aufgezogen.
»Oh ja, du bist es, komm rein.«
Im Flur stapelten sich Pappkartons, auch das angrenzende Zimmer stand voll. Pappkartons bis zur Decke, als wenn er gerade erst eingezogen wäre. Den übrigen Platz nahmen ein großes Bett und ein Fernseher ein. Auf dem Fußboden lagen überall Zeitschriften. Man konnte sich nicht bewegen, ohne auf eine zu treten. Ich betrachtete Majewski genauer. Er war etwas kleiner als ich und sah nicht besonders gut aus. Dünne, wattige blonde Haare und ein schiefes Gesicht mit einer großen Nase. Sein graues Hemd und die dunkelgrüne Hose schienen aus einem ungewöhnlich weichen Material zu bestehen. Sie hingen faltig und formlos an ihm herunter. Aber er hatte einen sehr schönen Mund, mit einer dicken rissigen Unterlippe, und in seinen blaßblauen, etwas vorstehenden Augen lag ein Ausdruck, wie man ihn nur bei Menschen fand, denen noch nie etwas missglückt war.
»Hat Dietrich dir gesagt, um was es geht?«
Ich nickte und stellte mir vor, wie es wäre, Majewski zu küssen.
»Wir wollen kurz vor Weihnachten auf der Oker paddeln, im Harz«, sagte Majewski. »Dietrich hat mir erzählt, du bist schon mal gefahren. Ist aber trotzdem besser, wenn du weißt, was auf dich zukommt. Wenn du willst, zeig ich dir ein Video, das meine Freundin im Sommer aufgenommen hat.«
Ah, wunderbar, er hatte sogar eine feste Freundin. Ich würde mit ihm ins Bett gehen, und er würde weiter nichts von mir wollen. Im Gegenteil. Er würde sehr schnell auf die Idee kommen, dass er mich wieder loswerden musste. Ich würde überhaupt nichts dazu tun müssen.
»Setz dich einfach dahin.«
Ich setzte mich auf das Bett und sackte einen halben Meter tief ein.
»Das ist ein Wasserbett. Brauch ich wegen meinem Rücken«, sagte Majewski, grinste in sich hinein und schaltete den Videorecorder an. Ich kletterte zurück auf die Bettkante. Fünf kleine runde Boote mit Menschen darin glitten über den Fernsehschirm, stürzten Stromschnellen herunter und schrammten an Felsen vorbei. Die Menschen trugen gelbe Helme.
»Topolinos«, erklärte Majewski. Er meinte die Boote. »Die gibt es erst seit ein paar Jahren. Vorher war die Oker als unbefahrbar eingestuft, weil es kein Material gab, das standgehalten hätte. Kannst du eigentlich eine Eskimorolle oder wenigstens ’ne Handrolle?«
Ich schüttelte den Kopf. Ich war überhaupt noch nie Wildwasser gefahren. Bloß ein bisschen auf der Alster gepaddelt.
»Macht nichts. Wenn du umkippst, musst du eben aussteigen. Ich kann die Handrolle auch nicht so gut. Einmal bin ich die halbe Oker kopfüber runtergefahren, und die ganze Zeit knallte mein Helm gegen die Steine, aber ich wollte nicht aussteigen, ich habe immer wieder versucht, mich umzudrehen. Und Sabine – das ist das eine Mädchen, das da mitfährt, die hat unheimlich geschimpft, weil ich nicht gleich am Anfang raus bin. Die Oker ist nicht besonders tief. Ohne Helm kannst du das gar nicht machen. Siehst du die Stelle …« – er hielt das Video an und spulte zurück – »hier … jetzt!«, er hielt das Bild an. »Hier musst du aufpassen, das ist die
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